Von Menschen und Pferden

Pferdenarren, Menschennarren, Islandnarren. Benedikt Erlingsson als isländischer Narr. An keinem Hofe. An keinem Kinohofe. Ein freier Narr, der sich die Narrenfreiheit nimmt, einen Film über Menschen und Pferde zu drehen, der so wirkt, als sei das die absolute Dokumentation über Island, als gebe es dort nichts anderes.

In keiner Weise „gewollt“ skurril oder schräg. Aber so schräg, so skurril wie kaum vergleichbar. Warum sollen die Menschen sich in freier Natur nicht so frei fühlen wie die Pferde. Die Pferde treibens auch so. Der schwarze Hengst besteigt die weiße Stute, selbst wenn ein Reiter drauf sitzt. Und aus der näheren und weiteren Umgebung betrachten das die Menschen hochinteressiert durch ihre allzeit griffbereiten Fernrohre.

Nähe und Weite. Intimität und Öffentlichkeit. Mensch und Natur. Eine solche Natur wie die isländische ist nicht nur eine grandiose Natur fürs Kino. Für Kinobilder, die den wilden Westen leicht erblassen lassen können. Hier ist die Intimität (des Kinos auch) gleichzeitig die Öffentlichkeit. Die Weite, die Nähe.

Die Pferde müssen gelegentlich gezäumt werden, damit sie geritten werden können. Zum bloßen Ausritt wie des Mannes mit der weißen Stute, der es ihr nicht verzeiht, dass sie sich besteigen lässt. Leben, Liebe und Tod liegen hier verdammt nah beieinander.

Was für ein Rhythmus, wenn der große Mann auf dem kleinen Pferd seinen Spaziertrab hält, welch Stakkato von Unvermeidlichkeit und der Einheit von Pferd und Mensch und Dringlichkeit des Schicksals! Der Ritt übers Land wird von den Feldstechern verfolgt. Dann Tee bei einer Familie. Mit einer Frau, die einen Mann gebrauchen könnte. Aber so schnell geht es bei Menschens in Island nicht zu wie bei den Pferden. Da ist viel Zeit (kurze 80 Minuten ist der Film lang) für andere Pferdegeschichten.

Der Säufer, der vorher schon in seinem Jeep einen Radfahrer erschreckt hat, der Stoff braucht, der einen russischen Seelenverkäufer sichtet in der Bucht, der ein Pferd nimmt, mit ihm zum Meer reitet, auf dem Pferd im Meer schwimmt, zum Frachtkahn hin, wie die beiden hochgezogen werden, Dollar gegen Wodka, der sei aber stark, 98 Prozent, den müsse man mischen. Die Russen kennen die Isländer schlecht. Auch diese Episode wird unvermeidlich tragisch enden.

Freiheit und Gefangenschaft. Pferde in einer Koppel stacheldrahtgeschützt. Ein alter Isländer will das nicht haben. Er zerschneidet den Stacheldraht. Der Mann auf dem Traktor verfolgt ihn und seine zwei befreiten Pferde. Auch diese Verfolgung wird tragisch enden. Unvermeidlich.

Dem Befreier geht der nächste Stacheldraht ins Auge. Alltägliche, große Dramen, die in der isländischen Weite so normal, so banal wirken, so nicht gewollt, so nicht systematisch. So als ergeben sie sich „naturgemäß“, thomasbernhardsch, unvermeidlich wie in einem Naturfilm oder in starker Literatur – die Politik würde von alternativlos sprechen. Das Leben ist wilder als die Regeln von Geschichtenschreibern es wahr haben wollen. Auch mit den Pferden gibt es ganz wilde Szenen. Auch solche wie im Zirkus.

Wenn die Frau mit der roten Teerjacke mit einer Siebenerreihe von Pferden über Land reitet, aber wie sie vorher mit bloßen Händen einen Stacheldrahtzaun um sie gelegt hat. Weh tun die Bilder, die liebt der Fimemacher Benedikt Erlingsson narrisch, wenn im Auge des Pferdes sich Menschen spiegeln oder erst Stacheldraht. Das geht ins Auge. Endir.

So crazy, aber eben nicht auf gezielt crazy, er hat quasi nur die Augen aufgemacht, es scheint ihm ins Auge gefallen, nonintentional, auch nicht diese längst perfektionierte, professionell zu nennende Lakonie, die oft in skandinavischen Filmen zu beobachten ist. Momentweise traut man seinen Augen nicht. Pferde sind nicht unbedingt inszenierbar wie Menschen.

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