Into the Woods

Der deutsche Wald ist der Wald der Romantik, ist der Wald der Gebrüder Grimm.

Was wäre das amerikanische Kino, das amerikanische Musical und der amerikanische Musical-Film ohne die Gebrüder Grimm und den deutschen Märchenwald? Den haben Stephen Sondheim und James Lapine als Kulisse genommen, um darin ein Musical spielen zu lassen nach dem Motto: hinein in den Wald, into the Woods.

Hier sucht jeder Erlösung, zumindest ein Stück in Richtung Glück, denn hier blüht etwas (das singen sie später). Anfangs singt jeder seinen Wunsch „I wish“. Es wird aber auch getrickst und einander in die Quere gekommen. Keiner muss jedoch Angst haben im Märchenwald, zumindest unsere Figuren gehen furchtlos hinein.

Gleichzeitigkeit verschiedener Märchen der Gebrüder Grimm, vom Rotkäppchen, das dem Bösen Wolf begegnet, Jack als eine Art Hans im Glück, der eine Kuh verkaufen soll, Rapunzel und Prinzen und Aschenputtel, und Jack und die Riesen, alle sind sie unterwegs, haben eine klare Aufgabe – nach etwa 1 ¼ schnellen, unterhaltsamen Stunde haben erst mal alle ihr Glück gefunden, die falschen Prinzessinnen ihren großen Zeh verloren, Rapunzel ein Stück Haar an die Hexe abgegeben, der Bäcker und seine Frau haben für die Hexe die weiße Kuh (das Weiß leider mit Mehl getrickst), ein rotes Stück Kleid (das von Rotkäppchen), einen goldenen Schuh und ein Stück Rapunzelhaar abenteuerlich gesucht und gefunden und jetzt soll die Kuh damit gefüttert werden und wieder Milch geben, denn nur so können die Bäckers ein Kind bekommen. Die Story quasi fantastisch am Rapunzelhaar gesponnen, aber auch der Maiskolben hat Haare, vielleicht merkt die Kuh den Unterschied nicht.

Lang kann das Glück nicht dauern. Es gibt Hypotheken aus der Vergangenheit, wenn man so will, unbewältigte Finanzkrisen interpretationsweise, die nur noch unwichtig wie irgendeine Bohne scheinen und von den Menschen vernachlässigt werden. Sie kommen wieder ins Spiel, werden achtlos weggeworfen, es funkt und es entsteht der Riesenbaum aus Jack and the Giants. Nun gilt es zusammenzustehen.

Jetzt wirken die übrig gebliebenen Figuren (manche verschwinden kommentarlos aus der Geschichte) wie Boat-People, wie Flüchtlinge, die alles verloren haben, denn der Riese, resp. das Wüten der Riesin hat wie ein Crash der Weltwirtschaft gewirkt, den keiner sich wünscht.

Jetzt heißt es erkennen, dass es nicht gut ist, wenn man allein ist, dass in so einer Situation keiner allein ist, dass man es gemeinsam schafft, aus dem Wald und der Wirrnis wieder herauszukommen.

Das alles und vieles mehr hat Rob Marshall nach dem Drehbuch vom Musicalautor James Lapine mit einer wunderbaren Riege bekannter Hollywoodstars leinwandtüchtig gemacht. Meryl Streep (umwerfend freundliche Hexe) und Johnny Depp (böser Wolf), Anna Kendrick (Aschenputtel), James Gordon als der Bäcker und Emily Blunt als seine Frau, leicht inszeniert, Kamera- und Schnitt übernehmen direkt den Musicalrhyhtmus in teils famos überlappenden Szenen und Gesangsteilen und die Stars singen, dass man glauben würde, sie seien nachsynchronisiert von echten Sängern. Angenehm wohl dosiert ist der Einsatz von Computereffekten, bei Szenen, wo die Hexe verschwindet, da sind sie direkt als Zaubertricks sichtbar.

Der diskrete Schmunzelcharme dieser Inszenierung zeigt sich am deutlichsten und köstlichsten in der Szene, wo die beiden Prinzen auf einem Wasserfall ihr Duett singen, das könnte deutsche Schlageromantik pur verheiratet mit Hollywoodkitsch sein, ist aber mit einem deutlichen Augenzwinkern des Regisseurs aufgenommen, worin dieses genau liegt, kann ich allerdings nicht konkret sagen. Vielleicht ist es der Waldrahmen, der das ausmacht, vielleicht kann es das Zitat des Prinzen belegen „ich wurde erzogen, charmant zu sein, nicht ehrlich.“ Vielleicht belegt es auch die Art, wie die im Wald zurückgebliebene Gruppe versucht, die Riesin zu bekämpfen; das geschieht zum einen Teil mit Überlegung, und zum anderen ohne jede blutige Aggressivität, ein milder Kampf ganz ohne Brutalittä, die inzwischen in so viele Hollywoodkinderfilme Eingang gefunden hat; vielleicht auch weil hier das Motto gilt: Recht und Unrecht spielen im Wald keine Rolle (was impliziert, dass es hier auch keine Rechthaber, die ihr Recht mit Waffen verteidigen, braucht). Es ist der deutsche Märchenwald, der Wald der Geschichten, denen die Kinder immer wieder zuhören wollen.

So war es denn doch typisch der mythische Wald.
Schön die Entschuldigung der Hexe, dass sie lediglich versucht habe, eine gute Mutter zu sein.

Wo es Märchen gibt, da bist Du nicht allein, da ist jemand an deiner Seite.

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