Altman

Dieses Biopic von Len Blum nach einem Drehbuch von Ron Mann über den Extraklasse-Regiemeister Robert Altman versucht einen doppelten Zugang zu dieser schwer schubladisierbaren Persönlichkeit.

Der eine ist der chronologische. Der ist unterfüttert mit viel Material aus Filmen, aus Making-Ofs, aus Interviews, Filmpremieren- und Filmpreisverleihungen sowie privatem Home-Movie-Material aus Altmans vielköpfiger Familie; auch seine Witwe erzählt einiges.

Der andere Zugang geschieht über Statements zur Frage nach der Charakterisierung von Robert Altman, die Frage lautet: was ist altmansch? Antworten wie: furchtlos, aufs Außenseiter setzend, seine eigenen Regeln machend, Leben, Freiheit und das Streben nach Wahrheit, den Amerikanern den Spiegel vorhaltend, das Unerwartete bringend, nie aufgebend, das Familiäre schätzend, aufzeigend, wie verletzlich wir sind, Geschichten erzählen, Inspiration. Diese Statements kommen von Prominenten wie Paul Thomas Anderson, Keith Carradine, Elliott Gould, Julianne Moore, Michael Murphy, Robin Williams, Bruce Willis und vielen anderen. Auch sie geben damit zu verstehen, dass Robert Altman schwer einzuordnen ist, dass man sich mit ihm und seinem Werk auseinandersetzung muss, dass Hochjubeln abgleitet an einem Nonkonformisten seines Kalibers.

Er selbst erzählt über sich, er sei immer seinen Weg gegangen, mal sei er dadurch mehr im Mittelpunkt gestanden, mal weniger. Oft hat er es sich mit den Produzenten und Studiobossen verscherzt, ist rausgeschmissen worden. So ist er für eine Zeit nach Paris gezogen, hat dort kleinere Filme gemacht.

Wie schillernd diese Persönlichkeit ist, kommt zur Geltung an verschiedenen Fakts, nicht nur dass er gerne Party gefeiert hat. Wie er einmal am Rande der Pleite stand, zu einem Zeitpunkt, wo er eine 6-köpfige Familie zu ernähren hatte, lud er seine Gattin zu einem Ausflug nach Las Vegas ein. Vorher hatte er sein letztes Geld in einem Pferderennen auf einen Außenseiter setzend beachtlich vermehrt und in Las Vegas kam noch eine weitere Tranche Gewinn dazu, so dass die Lücke überbrückt werden konnte. Volles Risiko gezockt.

Auch wie er zu seinen ersten Jobs kam, da gibt er ungeniert zu, dass er seine Biographie entsprechend frisiert habe. Wie er später sich einer Herztransplantation unterzogen hat, hat er das geheim gehalten, weil die Branche mit so etwas nicht umgehen kann; erst bei der Verdankung des Ehrenoscars, den ihm die Academy kurz vor seinem Tod noch verliehen hat, da erlaubte er sich nicht nur, das zu erwähnen, sondern zu drohen, er habe jetzt das Herz einer dreißigjährigen Frau, so dass er voraussichtlich noch einige Jahre weiter arbeiten werden.

Er hatte ein hohes Bewusstsein von der Wertigkeit der Darsteller und ihm war immer an einer familiären Atmosphäre am Set gelegen. In den Beruf hineingearbeitet hat er sich nach dem Motto learning by doing. Er hat Industriefilme gemacht, Fernsehserien, und als er damit aneckte, weil er mehr Realismus versucht hat, hat er sich entschieden, eigene Filme zu machen. Es entsteht in diesem Film das Bild eines Mannes mit Eigenschaften, die wohl jenem Nonkonformismus und eigenständigem Denken zuzuordnen sind, wovor die hiesigen Filmförderer und Fernsehredakteure zurückschrecken wie der Teufel vorm Weihwasser.

Gerne hätte man mehr über seinen geistigen Background, über den Boden seiner Denke erfahren, aus was für einem Elternhaus er kam, wie sein Weltbild geprägt worden ist, was den Kern ausmacht, der dafür sorgte, dass ihn nicht Markenbranding qua Stiling interessierte, sondern die Wahrhaftigkeit des einzelnen Filmes. So dass es schwer ist, von einem typischen Altman-Film zu sprechen.

Zu seinen aufregendsten Werken mit der revolutionärsten Wirkung aufs Kino dürften gehören „M.A.S.H.“, „Nashville“ und „Short-Cuts“.

Auch bei den Tonaufnahmen hat er eine Revolution gestartet. Erstens ließ er Darsteller überlappend sprechen, dann fing er mit der Einzelverkabelung der Schauspieler an, wodurch er von jedem einen Originalton hatte, den er präzise einmischen konnte.

Sein Einstellung: die Schauspieler zu ermutigen, sie aber vor Peinlichkeiten zu bewahren.
Die Diskrepanz zwischen ihm und der Industrie: er meint, er macht Handschuhe, die Industrie verkauft sie als Schuhe.
Ein anregendes Muss für den, der sich mit Kino beschäftigt.

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