Simon West benutzt die Möglichkeit des Kinos, Kleines ganz groß oder Großes ganz klein zu machen und er tut das mit verschmitzt diskretem Charme, der nicht dem Kino Dinge unterjubelt, die es sprengen sollen und die es gar nicht kann (wie Ridley Scott in Exodus mit seiner Monumental-Animations-Sucht), was sich bereits in den ersten drei Filmen von Simon West an der Kasse in den USA mit Einspielergebnissen von jeweils über 100 Millionen Dollar kräftig ausbezahlt haben soll.
Kleines ganz groß, oft mit untersichtiger Kameraposition. Die Streichholzflamme, leinwandgroß, in der sich die Gedanken des Hauptdarstellers Jason Stratham spiegeln, der hier den kleinen Detektiv und Gelegenheitsbodyguard Nick Wild in Las Vegas spielt, der von Korsika träumt; Vorgeschichte Söldner.
Kleines ganz groß. Der „Stolz der Menschheit“, so nennt der Ganove Danny deMarco als Milo Ventimiglia sein Fortpflanzungsorgan. Dieses selbst kommt allerdings nicht im Bild, aber die Feder der Gartenschere, mit der Holly, Dominik Garica-Lorido dieses bedroht. Oder die Sticknadel, die Holly durch einen Stoff bohrt, während sie erzählt, was er ihr angetan hat.
Wie West Kleines im Detail groß macht, so macht er auch den kleinen Ganoven mit seinem muskulösen Ford, mit dem er durch Las Vegas donnert, enorm groß. Kämpfen kann er ja auch im abgekarteten Spiel, einem der Jobs, mit denen Nick vorgestellt wird. Da soll eine lächerliche Figur groß und stark gemacht werden, hier nicht primär durchs Kino, sondern durch die Aktion von Nick, die den Typen, der den doofen Namen Osgood hat, stark aussehen lassen soll.
Einprägsame Szene früh im Film, wie Nick ihm das Toupet runter reißt. Aber dann zeigt Osgood Muskeln und gewinnt die Frau – zumindest für die Nacht. Natürlich gibt es die großen und mächtigen Figuren, die Bodyguards; die aber wirken im Film eher klein.
Während andere kleine Figuren wiederum zu ungeahnter Größe erwachsen. Cyrus Kinnick, dieser lächerliche Name, gespielt von Michael Angarano, der mit dem Internet Millionen gemacht hat und der sich Nick als Lehrmeister auserkoren hat. Eine Milchbuben-Figur in Las Vegas. Er war gut informiert. Lässt Nick trotzdem einen Monolog mit seiner Biographie aufsagen.
Sowieso sind diverse Ansätze zu Monologen Nick ins Drehbuch geschrieben, was nicht unbedingt das Metier eines Actionhelden wie Jason Stratham ist. Klein ist die Figur auch insofern, als er sich als süchtiger Spieler outet. Das Spezielle dieser Figur Nick ist, dass er nie zur Waffe greift. Seine Waffe, wenn auch möglicherweise tödlich, das kann eine Kreditkarte sein, eine Gabel, ein Löffel, kleine Dinge, aber bei Nick und West werden sie größer und stärker als eine Knarre
Auch das Denken von Nick ist klein, ist nicht nachhaltig. Das kommt ganz groß auf die Leinwand. Wie er spielt. Wie er einen guten Lauf hat. Wie die halbe Million beisammen ist. Sein Kalkül, sich fünf Jahre absetzen und jedes Jahr 100’000 ausgeben. Kurz bevor er die Jetons, das Regal voller Jetons, an der Kasse eintauscht, da dämmerts ihm: was ist nach den fünf Jahren? Kleines Hirn ohne große Anlagestrategien. Das zeigt West in einem großen Kinoakt voller Zeitlupe und innerer Kämpfe. Der kleine Mann ganz groß – in seiner Kleinheit. Also spielt er weiter.
Er kommt nicht raus aus seiner Sucht. Das wird er später auch bestätigen, wenn er die Million gewonnen hätte, hätte er sicher weiter gemacht. Da ist vielleicht doch ein Hauch Moral drin. Allerdings nicht so dick wie beim Gambler.
Bei West und Goldman geht die Liebe zum kleinen Halbschattengewächs vor. Und dass Stratham so viele Ansätze zu Monologen hat und verbalen Auseinandersetzungen, das macht ihn nicht größer, aber direkt liebenswert. Wie ein armer Schlucker, der er ja auch ist und bleiben würde, wenn Cyrus, der lächerliche, sich nicht als großzüger Kunde erweisen würde. Aber was damit passiert, das lässt der Film offen. Und merkwürdig, wie er im Casino ohne die halbe Million von dannen zieht, erhält er vom Publikum, als großer Looser, Applaus. Applaus für den kleinen Mann.
Der Traum von der Action mit einer „Wild Card“, das ist der Traum des kleinen Mannes, der den Zwängen des Gelderwerbes und der Konzerne und des Staates sich wehrlos ausgeliefert sieht.