Die Böhms – Architektur einer Familie

Nach Vergiss mein nicht von David Sieveking und Titos Brille von Adriana Altaras ein weiterer, tiefer Einblick in eine deutsche Elitefamilie.

Bei Maurizius Staerkle-Drux geht es weder um eine Intellektuellenfamilie aus dem wissenschaftlichen Bereich noch um jüdisches Bürgertum, sondern um eine Architektenfamilie und es ist auch nicht die eigene Familie, die hier abgebildet wird. Der Dokumentarist kennt die Böhms seit langem über seine Kölner Verwandtschaft. Er hat also ein etwas distanzierteres Verhältnis zum Objekt seines Interesses als der Sohn Sieveking oder die Protagonistin Altaras.

Wie bei Sieveking leidet auch hier eine Frau, die Gattin/Mutter an Demenz und wird im Laufe der Dreharbeiten, die sich über mehrere Jahre hinziehen, sterben. Während bei Sieveking von Introspektion in so eine Familie gesprochen werden kann, läuft Maurizius Staerkle-Drux‘ Doku mehr auf ein Gemälde hinaus, auf eine Architekturbetrachtung, so imposant wie manche der Gebäude aus der Architektendynastie Böhm. Die drei Söhne von Gottfried Böhm betreiben ihre Büros im Hause ihres Vaters.

Den Pritzkerpreis (von der Verleihung gibt es herrlich schummrige Super-8-Aufnahmen) wie der Vater hat zwar keiner der Söhne gewonnen, aber alle haben sie ihre Marken gesetzt, der eine mit dem neuen HFF-Bau in München und dem staatlichen ägyptischen Museum, der alten Pinakothek nachempfunden, der andere mit einem Moscheebau in Köln und der dritte mit Schnellarchitektur in rasant sich entwickelnden Millionenstädten in China.

Schönstes Symbol für die Tendenz zur Gemäldehaftigkeit dieses Filmes sind Aufnahmen von der mächtigen Trauerweide im Garten der Architekten, die die Mutter einst gepflanzt hat; ein Mirakulum, wenn die im Wind sich biegt und beugt und bewegt.

Der Film kreist erst respektvoll um das alte Ehepaar, den 94 jährigen Gottfried Böhm und seine demente Frau Elisabeth, legt nach ihrem Tod andachtsvoll einige Kondolenzbilder ein, und lässt nach und nach auch die Söhne zu Wort kommen.

Es geht um das enge, berufliche Zusammenleben, den Wettbewerb, die Dominanz des Vaters, auch um die Mutter, die ihre eigenen Karrierepläne, auch sie hat Architektur studiert, zugunsten der Familie zurückgestellt hat, und der das Glück des Ehepaares, das Glück mit ihrem Partner das Wichtigste war, noch vor dem Wohlergehen der Familie (ähnlich wie in Yaloms Anleitung zum Glücklichsein, wobei hier in Köln die Kinder glücklich verheiratet scheinen und ein Enkel sei bereits dabei, Archtiektur zu studieren).

Den stärksten Eindruck aus dem Bildmaterial ergeben die Bilder des 94 jährigen Gottfried, wie er noch arbeitet, in den Swimming-Pool springt, mit seinem noch älteren Bruder Tischtennis spielt, ein Auto kauft oder in Paris das Haus besucht, das seine Frau als ihr Traumhaus gekauft und eingerichtet hat (über sie gibt es die urige Anekdote, dass sie einmal Biedermeiersessel gekauft habe, und weil sie zu hoch für sie waren, die Beine mit der Säge gekürzt habe). Dazwischen immer wieder Fotos und Super-8-Aufnahmen aus dem Leben der beiden.

So wird der Film auch zu einer melancholischen Erzählung über die Vergänglichkeit.
Möglicherweise ist es das erste Mal, dass der Greis jetzt auch über den Krieg erzählt hat, auch dass er davon nie gern geredet habe, dass er getötet hat, deutet er an. Dazu Super-8-Aufnahmen von der Hohen Tatra.

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