Ein Krokus in der dörren, deutschen Drehbuchkultur, der Hoffnung macht. Es scheint sich auszuzahlen, dass hier drei Drehbuchautoren am Werk waren: Lutz Hübner, Sarah Nemitz und Oliver Ziegenbalg haben offenbar durchaus ernsthaft an der Ausgestaltung der Konflikte zwischen Eltern und Schule einerseits, aber auch zwischen den Eltern gearbeitet, so dass zumindest anfangs eine furiose, deutsch-komödiantische Kinostunde zusammenkommt, die ihre Brillanz auch den Darstellern und dem geschmeidigen Regiehandwerk von Sönke Wortmann zu verdanken hat.
Schwungvoll gehen die Elternteile, Wolf, Justus von Dohnany, Jessica, Anke Engelke, Patrick, Ken Duken, Marina, Mina Tander und Katja, Alwara Höfels ihren Umsturzgang zur Jury-Gagarin-Grundschule an. Wie sie ins Haus einmarschieren, das erinnert an Westernteams, die zum Duell sich begeben. Ihr Ziel ist die Lehrerin Frau Müller, Gabriela Maria Schmeide.
Die Angst, die die Eltern treibt, ist die, dass die Kinder die Versetzung von der Grundschule aufs Gymnasium nicht schaffen. Deshalb wollen sie die Lehrerin dazu drängen, die Klasse abzugeben.
Diese Auseinandersetzung ist aufregend, spannend. Die Eltern schaffen es kaum, sich an die Verabredung zu halten, nicht über die einzelnen Kinder zu reden, sondern nur über die Minderqualität der Lehrerin. Die Lehrerin wiederum fällt aus allen Wolken, wie sie erfährt, wie skrupellos die Schüler die Eltern fehlinformieren oder ihnen Briefe einfach vorenthalten oder selber Entschuldigungen schreiben. Das sind harte Konflikte, der Zusammenprall von Vorurteilen und Unterstellungen, die Selbstoffenbarung von Widersprüchlichkeiten, das ist etwas vom Gewitztesten, was im Deutschen Kino in letzter Zeit zu sehen war. Die Figuren agieren zwar leicht überspitzt, aber insgesamt glaubwürdig. Frau Müller schafft es, den Spieß umzudrehen. Doch dann verlässt sie spontan den Raum.
Jetzt folgt eine Phase, in der die Grundstruktur der Dramaturgie des Stückes mehr Kühnheit vertragen hätte. Jetzt will die Dramaturgie die Eltern rumhängen lassen, sie die Lehrerin suchen lassen, einige Seelenentblößungen veranstalten, gruppendynamische Prozesse zwischen den Eltern in Gang setzen, auch ein Seitensprungverhältnis nimmt jetzt viel Platz ein, was leider mit dem Thema nichts, oder nur sehr indirekt zu tun hat.
Es gibt jetzt lustige Unfälle. Anke Engelke lässt ihr Handy ins neue Schwimmbad plumpsen und geht dann in Unterwäsche, es herausfischen, da stößt der Hausmeister dazu, oder ein Paar will die Kaffeemaschine in Gang setzen, die tut erst gar nicht, dann kann sie nicht mehr aufhören. Den kleinen Gag rührt Wortmann mit amerikanischer Keule überdimensional fett an, leider am Thema vorbei, ein großer runder Tisch steht voll mit abgefangenem Kaffee in Bechern.
So dauert es, bis die Eltern wieder zusammenfinden, bis sie in der Tasche der Lehrerin die Noten finden, die weit besser sind als erwartet und eine Versetzung ihrer Kinder erwarten lässt. So ändern sie spontan ihre Meinung in Bezug auf Versetzung und auf Frau Müller. Aber wie Frau Müller zurückkommt, hat sich die Dramaturgie noch einen doppelten Twist einfallen lassen.
Diese Einfälle wirken allerdings bemüht. Die zu lange Pause nach dem Weggang von Frau Müller hat den Drive aus der Sache rausgenommen; der Dialektik der Auseinandersetzung ist die Antithese abhanden gekommen. So lustig die Handgreiflichkeiten sind, die die wunderschöne Vitrine mit den Kastanien-Figuren, zersplittern lässt. Da wirds deutsches Biederkino. Es scheint noch nicht den Mut zu haben, einen kühn eingeschlagenen Weg auch konsequent und durchaus die Realität überzeichnend weiter zugehen oder die Autoren haben sich für die brillante Anfangsauseinandersetzung zu sehr verausgabt und wussten dann nicht mehr wie weiter.
Trotzdem sind schöne Pointen gefallen. Motto des Filmes: Das Leben fängt an, wenn der Hund tot ist und die Kinder aus dem Haus sind. Und am Schluss singt es: Lass der Jugend ihren Lauf.
Aussprüche: dass Schüler für die Lehrerin eine lästige Begleiterscheinung seien. Jetzt machen wir etwas ganz Verrücktes und versuchen Zielorientiertheit. Die Eltern gehen von Burnout der Lehrerin aus, weil die Kinder gepetzt haben, sie müsse zur Therapie. Darauf bricht die Lehrerin in heulendes Elend aus: Man wird doch noch Rückenschmerzen haben dürfen. Eltern über die anderen Kinder: Lukas ist doch nicht hochbegabt, das ist ein klarer Fall von ADS. Jammern hilft überhaupt nichts, das machen die Ossis schon selber. Die Wessis grenzen die Wessis aus, das ist eine ganz neue Dimension. Die daddeln? Ich denke die machen Lerngruppe. Solche Noten kriegen die woanders nicht. Engelke: Ich arbeite auf einem Minsterium, ihr habt keine Ahnung, was man alles zurücknehmen kann. Vater zu anderem Vater: Keine Arbeit, kein Job, du kannst hier einfach nicht mitreden.
Vor allem Anke Engelke bringt den Draht der Realität in die Geschichte, das empörte Need solcher Eltern, die sich nur dafür interessieren, dass ihre Kinder ins Gymnasium kommen. Das spricht sie denn auch aus.
Wenigstens eine halbe Stund furioses Auseinandersetzungs- Konfliktkino, wie ein Vulkan brechen gesellschaftliche Widersprüche aus und prallen aufeinander.