Gernstls Zeitreisen – Vom Selfkant ins Bergische Land (BR, Montag, 29. Dezember 2014, 19.00 Uhr)

Ein Hauch von Wehmut hängt über dieser Zeitreise von Franz-Xaver Gernstl. Kann man eine Reise zweimal machen? Kann man 25 Jahre später mit demselben Team, Kameramann H. P. Fischer und Tonangler Stefan Ravash, nochmal dem 51. Breitengrad entlang fahren, wie damals kurz vor der Wiedervereinigung, vom westlichsten Zipfel Deutschlands, dem Selfkant, bis ins Bergische Land wie hier im ersten Teil?

Manche Leute treffen die Menschenfänger wieder an. Die eindrücklichste Figur ist vielleicht der Restaurator, der sein ganze Leben, seine ganz Kraft für seine Familie eingesetzt hat. Häuser hat er gebaut für die Kinder, damit er denen was hinterlassen kann, Autos restauriert, damit er nicht rumhängt. Seine Frau war vor 25 Jahren schon schwer krank. Inzwischen ist sie gestorben. Die Kinder haben sich selbständig gemacht. Schauen kaum bei ihrem Vater vorbei, der die Oldtimer verkauft hat und in seinem riesigen Haus allein wohnt, der sich nicht mehr ganz so aufgestellt anhört wie vor 25 Jahren; denn keiner seiner Träume hat sich erfüllt.

Oder der Vater mit dem mongoloiden Sohn, der dem Fernsehteam auf den Kopf zusagt, dass sie gealtert seien – wie er selber auch. Der ist immerhin mit seinem Sohn glücklich, macht Musik mit ihm und der hilft ihm beim Grasschneiden.

Der erste Eindruck im Film ist der, dass im weiten Flachland, wo sonst nichts ist, das Vereinsleben ausgeprägt sei, der Schützenumzug oder die Feuerwehr. Hier wird gerade ein langjähriger Präsident verabschiedet und eine neues Feuerwehr-Auto überreicht. Dem abtretenden Präsidenten geht eine wichtige Funktion verloren. Immerhin hat seine Frau bisher mitgespielt.

Es gibt eine Spontanbegegnung mit dem Amifan mit dem Jeep, den er von den abreisenden Amis ersteigern konnte, Jahrgang 1944, alles noch echt. Zeitweilig wurde er deswegen angefeindet, heute nicht mehr.

Es ist wieder ein bunter Fischzug, den Gernstl tut, immer mit anrührenden, menschlichen Einsprengseln, nie hochnäsig. Sein Lächeln ist allerdings inzwischen gelegentlich zu einem gewissen Skeptizismus geronnen. Aber sein umwerfendes Menschenverständnis macht das wett. Man kann zwischen den Jahren seine Zeit sicher schlechter verbringen, als diese Sendung schauen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert