Zwei Dinge, die die Amerikaner im Kino aus dem Effeff beherrschen, das sind einmal die Gerichtsstories, auch ergiebiger als bei uns wegen der Geschworenen-Gerichte, und zum anderen die Familie, die nicht weniger Gewicht hat als das Recht. Hier werden die beiden bewährten Äcker zusammen bearbeitet.
Der erste Eindruck ist der einer Anwaltsstory. Robert Downey jr. ist als Hank Palmer ein höchst erfolgreicher Anwalt in Chicago. In einer Piss-Szene während einer Verhandlungspause lernen wir ihn kennen. Sein Gegener trifft ihn auf dem Pissoir und quatscht ihn an, Palmer dreht sich um, sein Strahl trifft den Gegner. Schmutz und Recht. Wieder im Saal gibt’s noch ein paar schnell gelieferte Argumente in knappster Sprache. Die Verhandlung scheint an einem schwierigen Punkt zu sein. Palmer verlangt eine Unterbrechung, weil er eben erfahren habe, seine Mutter sei eben gestorben. Alle halten das für einen Verhandlungstrick. Aber er kann es dem Richter beweisen.
Bis dahin sind wir längst informiert über die wirtschaftliche Seite seines Erfolges, hübsche Villa, Frau mit einem Po wie eine Basketballspielerin und einen Ferrari in der Garage. So erfolgreich kann nur sein, wer Rechtskunde mit allen Tricks der Rechtsverdrehung zu interpretieren weiß.
Kurz vor der Abreise erfahren wir noch, dass er am Rande der Scheidung steht und ein hübsches kleines Mädchen, Laura, hat. Ab in die Provinz nach Cadinville in Indiana zur Trauerfeier für Muttern.
Hier wendet sich die Gerichtsstory immer mehr zur Familienstory. Hier gerät Hank sofort mitten in die Verquickungen seiner Familiengeschichte. Das Verhältnis zum Vater ist gestört, seit 20 Jahren haben die kein Wort mehr miteinander geredet. Zwei Brüder gibt es noch. Die Mutter ist gestorben beim Gießen der Hortensien, die als hübsches Symbol stehenbleiben.
Hank will am Tag nach der Beerdigung gleich wieder abreisen. Die Begegnungen mit seinem Vater, Robert Duvall als Joseph Palmer, waren knapp und kühl. Sein Vater war jahrzehntelang der unangefochtene, patriarchalische Richter im Ort. Es gibt noch den älteren Bruder Glen, Vincent d’Onofrio, der wegen einer Verletzung durch einen Unfall, den Hank verursacht hat, nicht Sportler werden konnte und der einen Autoersatzhandel betreibt und den etwas beschränkten Bruder Dale, Jeremy Strong, der als Filmreak die Familienbilder von früher zum Film beiträgt.
Hank sitzt schon im Flieger für die Rückreise nach Chicago, da wird er zurückbeordert. Seinem Vater droht eine Anklage vor Gericht, weil er mit seinem Cadillac, den nur er fahre, einen Radfahrer tödlich angefahren haben soll. Das Opfer war zudem ein Mann, den er wegen eines Prozesses gehasst hat.
Einhergehend mit dieser Anklage fängt im Film faktisch eine Familienaufstellung der Palmers an. Wie es zur Entfremdung von Vater und Sohn gekommen ist.
Sehr komische Szene, die ein herrliches Licht auf die Provinz wirft, ist das Engagement eines Anwalts durch den Vater; denn Dwight Dickham, Billy Bob Thornton, muss sich nicht nur jedes Mal vor einer Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude übergeben (Echo auf das Niveau der ersten Szene), sondern ist auch nur Teilzeitanwalt, denn nebenher betreibt er einen Antiquitätenhandel.
Der Verlauf des Gerichtsverfahrens führt zu einem Schälen wie einer Zwiebel der Verhältnisse und der Geschichte der Palmers. Damit das nicht zu dröge wird (wozu eh keine Gefahr besteht) wird noch die Kneipenwirtin Sam eingeführt, die sich als Heldin ihrer eigenen Geschichte sieht, Blondine logisch, gespielt von Vera Farmiga, ein früheres Verhältnis von Hank und wer weiß eigentlich, wer der Vater ihrer bildhübschen Tochter ist, mit der Hank gleich beim ersten Kneipenbesuch anbandelt und rummacht?
Familienbande sind harte Bande und auch hartnäckige Bande, aber Annäherung und Versöhnung sind möglich. Die Palmers seien eine Familie wie ein Bild von Picasso, heißt es an einer Stelle, nicht schlecht beschrieben. Durch dieses Ineinandergreifen von einerseits Gerichtsprozess und andererseits Familienaufstellung ist der Spannungsbogen doppelt solide genäht.