Praia do Futuro

Strand der Zukunft. Vom Strand der Zukunft, ausgehend von einem Trauerfall. Ein Trauerverarbeitungsfilm. Heinz und Konrad, wir wissen noch lange nichts über sie, auch nicht, dass sie ein Paar sind, rasen auf Motorrädern easyridermäßig aus dem steppigen Hinterland in Richtung Küste Brasiliens. Dann rennen sie ins Wasser. Sie kommen in die Wellen des Ozeans, sie drohen zu ertrinken. Das ist vielleicht die erste Moral des Filmes, renne nie erhitzt vom Motorrad direkt in die Wellen. Sie schauen prima aus, muskulös und sportlich. Die schönen männlichen Körper, mehr oder weniger entblösst, spielen fortan eine große Rolle. Heinz ertrinkt, Konrad wird gerettet von Donato. Sie fangen sofort ein Verhältnis an. Erst Liebe in Brasilien.

Ein Hochkulturfilm, ein hemdsärmelig, nicht stringent durchdachtes, trendig-internationales, geruchsloses Designkino. Man tippt nur an. Der Zuschauer muss sich den Rest denken. Das aber nicht als Erhöhung des Reizes, sondern als lehrmeisterliche Methode, Thesenkino: schwule Liebe in Brasilien ist schöner als schwule Liebe in Berlin. Kleine Buben wachsen eines Tages zu leckeren Früchtchen heran. Schwule Trauer äußert sich im sekundenschnellen Bespringen eines neuen Partners.

Das ist mir natürlich peinlich, dass ich diesem Film so grad kaum was abgewinnen kann, ist doch der Regisseur Karim Ainouz, der mit Felipe Branganca auch das Drehbuch geschrieben hat, ein internationaler Überall-Dabei und was er anrührt, wird preisgekrönt. Da muss schon was dahinterstecken, mehr als nur Schwülstigkeiten im hochkulturell-intellektuellen Gewande mit einem einzigen, kleinen, lyrischen Text und ebenso wohldosiert die leicht tragische, modern-klassische Musik drüber.

Das erste Kapitel widmet sich der Liebe von Donato und Konrad in Brasilien. Aber Konrad muss zurück nach Berlin. Und Donato geht mit. Jetzt geht die Liebe in Berlin weiter. Im dritten Kapitel erfahren wir, dass Donato aus Brasilien einfach abgehauen ist. In diesem Kapitel nämlich ist sein kleiner Bruder inzwischen als Erwachsener in Berlin aufgetaucht. Jetzt entwickelt sich eine Menage a trois in Berlin. Motorradfahren ans Meer. Das lässt auf den baldigen Schluss deuten, denn jetzt ähneln die Bilder den Anfangsbildern. Am Schluss fahren die Drei auf zwei Motorrädern auf der Autobahn landeinwärts in den Nebel von Deutschland. Symbolhaft. Die Kamera sieht die roten Schlusslichter verschwinden. Der Regisseur legt bedeutungsschwangere Neoklassik-Musik darüber. Und mich friert. Vielleicht wollte der Regisseur das bezwecken.

Was aber soll das? Ich komme mir leer, getäuscht, veräppelt vor, ob dieser kalt angerichteten Bilder, über die das Presseheft vermutlich mehr erzählt als aus dem Film herauszulesen ist. Oder man muss es wirklich wie jemandem, dem man die Würmer aus der Nase zieht, herauspuhlen. So macht Kino keinen Spaß. Aber bei einem, der international so viel Erfolg hat, darf man das wohl nicht sagen, oder man outet sich als Banause. „Love for Syle“ von Ainouz hatte Uraufführung in Venedig, gewann über 50 Preise, den ersten Preis in Havanna. Und dann noch ein Film mit 20 Preisen, 40 Festivalteilnahmen. Dann wieder Cannes als Uraufführungsort für einen Film und Regiepreis in Rio de Janeiro. Und da ein Kurzfilm und dort Teilnahme an einem Episodenfilm Kathedralen der Kultur.

Tja, da müssen wir schon in die Knie gehen und alles toll finden und enthusiasmiert sein. Dann Jurymitglied in Cannes und in Berlin und weiteren Festivals, und weitere Dokumentationen und Kurzfilme und Zusammenarbeit mit visuellen Künstlern sowie Co-Autor weiterer Filme. Und noch Gastlektor dazu. Tiefe Verbeugung.

Aber was will er uns mit seinem Film bloss erzählen? Wo wird klar, dass dieser Film keine Pseudokunst ist, dass es hier nicht lediglich um kunstvolles Suhlen im Schwulen geht? Dass der Regisseur mehr als nur ein geschickter, begabt beredter Filmförderabzapfer ist, der sich aus diesen Gründen einen Brasilien-Deutschland-Film zusammenstiefelt? Schnell, schnell, husch, husch, es rufen ja noch andere Pflichten und Geldverdienstmöglichkeiten. Ist das intellektuelle Masche, den Film in manchen Momenten offenbar bewusst unbedarft aussehen zu lassen?

Immerhin: brasilianisch ist eine schöne Sprache, das zeigt die kleine Lyrik gegen Ende, die den leeren Bildern wieder Bedeutung einflößen soll.
Es wirkt, als hätte diesen Film ein Computer, ein künstliches Hirn hergestellt. Es fehlt ihm die Seele. Es ist ein reines Spiel mit Chiffren, besonders natürlich aus der Sicht eines homoerotischen Männlichkeitsfetischismus.

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