Ein Film, der vor allem zur intellektuellen Rezeption gemacht und geeignet scheint, kopfig sozusagen, der sich aber mit einer höchst brisanten, höchst delikaten Bruchstelle der deutschen Geschichte beschäftigt, direkte Nachkriegszeit, und der die peinlichen Kostüm- und Mimik-Fallen des üblichen Naziploitation-Förder-Genres geschickt umgeht, luzide seine Message rüberbringt, wobei gerade die Luzidität die Moral der Geschichte als simplizistisch deutlich macht: eine reine Erbschleicherstory.
Nina Hoss als Lene hat das Pech gehabt, einen miesen Typen zu lieben, einen Pianisten, der sie zuerst verraten hat und nach dem Krieg sie, weil er sie nicht wiedererkennt, auf ihr Original hin trimmen will, um Erbabzockerei zu begehen. Das ist so eine oberflächliche Sache, die in eigenartigem Gegensatz steht zur genauen Arbeit von Christian Petzold (der beim Drehbuch mit dem inzwischen verstorbenen Harun Farocki zusammengearbeitet hat), zu seiner minimalistischen Vorgehensweise.
Wobei ich meine Probleme mit der Besetzung von Johnny habe, so kurz nach dem Krieg schon so einen Wanst zu haben. Auch ist es schlicht nicht spielbar, dass er seine frühere Frau nicht erkennen soll – hier geht der Film lange auf dünnstem erzählerischem Eis, und erst recht nicht, wie Johnny am Schluss erkennt, dass sein Double wirklich das Original ist. Diese Szene ist wunderbar inszeniert, lässt aber Fragen zum Spiel von Johnny offen. Für die Rolle hätte man ein klein wenig auf den Typus achten müssen; diese unverfrorene, ungeschminkte Heutigkeit macht die Rolle zum Fremdkörper.
Wobei die Dünne-Eis-Geschichte womöglich beabsichtig ist, doppeldeutig, das dünne menschliche Eis symbolisierend, auf dem sich die Menschen nach solch grauenhaften Erfahrungen bewegen. Dass Menschen, die sich geliebt haben, sich nicht wiedererkennen; das scheint mir jedoch ein hochtheoretisch, hochsophistischer Rettungsversuch.
Filmische Erzählung hingegen ist die Frage nach dem Erhalt des Gesichtes, der Identität nach den furchtbaren Gräueln und KZ-Torturen. Das schildert Petzold in seiner Exposition eindrücklich. Das nicht kenntliche, auch kaum gezeigte Gesicht von Nina Hoss als Nelly Lenz, die von Nina Kunzendrof als Lena Winter in einem schicken Schweizer Wagen mit Genfer-Nummer in Deutschland einfährt. Die Personenkontrolle durch die Amis gibt die Chance für die ersten Rahmeninfos des Filmes, Rückkehr nach KZ-Aufenthalt. Auch die Gesichtschirurgie, ob sie ein Gesicht wie Zarah Leander … . Irre Parallelität zum heutigen massiven Einsatz der Gesichtsveränderungs- und somit identitätsverändernden, plastischen Chirurgie. Vor der Gesichts-OP, Countdown bei der Narkose wie die „Frau im Mond“ neun, acht, sieben …
Die Bilder des bandagierten Kopfes, die sind symbolhaft gespenstisch. Thema: Schönheitschirurgie und Rassenforschung, Rassenreinheit, Schönheitsideal….. ein heißes Thema, aber nur angetupft, so wie mit einer leicht wegwerfenden Handbewegung und so einem Aushaucher durch einen etwas schmäler gemachten Mund.
Nina Hoss dürfte der einzig richtige Filmstar Deutschlands sein. Sie hat die Disziplin und das gewisse Etwas, obwohl sie ausgerechnet in diesem Film an einigen Stellen dieses leicht verwirrte Tütschelchen trutschig spielt, was sonst eher schwache Schauspielerinnen von sich geben.
Schöner Satz, Seitenhieb auf viele neuere deutsche Filme: kann keine deutschen Lieder mehr hören, der Song „speak low when you speak love“ wird den Film beenden.
Der Effekt der Gesamtkonstellation jedenfalls ist der, dass es mir etwa ein Stunde, nachdem der Film vorbei ist, ergeht wie dem Reiter über den Bodensee, der erst, wie er das sichere Ufer erreicht hat, erfährt, dass er eben über den Bodensee geritten sei. Jener ist tot vom Pferd gefallen. Mein Schock war dann doch eher nur eine kurzzeitige Idee eines solchen.
Die Titelwahl kommt mir vor wie eine Verlegenheitslösung: Phoenix heißt das Tanzlokal, das in den Nachkriegstrümmern schon wieder floriert, wo Sing- und Showgirls auftreten und wo Nelly ihren Johnny wieder findet.
Problem mit Johnny: seine Nichterkenntnis von Nelly passt nicht zu seiner sonst gemimten Wachheit, die im Nachhinein allerdings höchst skeptisch in Frage gestellt wird, ist es gezielt die heutige Wachheit des Menschen, eine gezielte Besetzung von Petzold, der heutige Mensch tut so wach und erkennt doch: gar nichts. Das wäre doch reichlich belehrhaft.
Durch dieses analytisches Konstrukt und die klaren Bilder kommt mir der Film vor, so leicht wie kaum einer, der die Nazizeit behandelt, schon nicht in den Pfründenlanden, so leicht und dünn wie das Eis, über das er geht, irgendwie kann ich mir im Nachhinein ein Schmunzeln nicht erwehren, weil auf jeglichen Schuld- und Betroffenheitsbeifang verzichtet wird, weil ich direkt etwas Schalkhaftes daran sehe, an dieser delikaten Stelle der deutschen Geschichte eine plumpe Erbschleicherstory zu inszenieren. Petzold muss sich einen abgegrinst haben dabei; er ist kein Missionar. Er hat die Narrenfreiheit, seine Spielchen zu spielen.