Ein Sommer in der Provence

Ein luftig-lichtvoll-leichtes Sommermenü aus der Provence recht improvisiert angerichtet von Rose Bosch, die damit ein Gegenleichtgewicht zu ihrem sehr ernsten Film Die Kinder von Paris in die Kinos bringt.

Es geht um Versöhnung in der Familie, es geht gegen Verkrustung im Alter und in Einsamkeit, es geht um die erste Liebe, um Sommer und Sonne, Olivenhaine und Stierkampf.

Jean Reno ist Boschs Hauptstar. In einer köstlichen Frisur, einer Mischung aus Lockenkopf und verbiestertem Alterskinnbart, pflegt er beharrlich seine Oliven. Er hat seit 17 Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter, die in Paris 3 Kinder hat und mit ihrem Mann in Scheidung lebt. Seine Frau fährt oft hin. Er hat keinen Kontakt mehr zu seinen Kumpels und Freunden aus der 70-Jahre-Hippie-Rocker-Zeit. Er ist mit seiner Frau damals um den halben Erdball gereist. Freie Liebe.

Das sind die Dinge, die der Film seinen verwunderten Enkeln enthüllen wird. Denn Mutter hat ein berufliches Angebot aus Montreal; die Kinder sind plötzlich allein. Kurz entschlossen nimmt die Oma sie im TGV mit. Empfang in der Provence frostig. Mit Opa ist nicht gut Kirschen essen. Aber es geht Schlag auf Schlag. Wie die Kälte gezeigt wird. Wie sie über den kleinsten Enkel, Theo, der taubstumm ist, ein entzückender Knirps, zu tauen anfängt. Wie die beiden Teens von Enkeln die Atmosphäre auf dem Lande erst hassen, wie sie bald liebeshungrige Zeitgenossen und Zeitgenossinnen in der Ortschaft kennen lernen. Eisschlecken und die jährliche Stierparade erleichtern die Kontaktaufnahme.

Über Facebook organisiert der clevere Enkel Adrien die alten Freunde von Opa, kaum eingetippt in den Computer, hört man sie schon auf ihren Motoren herandonnern, während die süße Enkelin Lea sich noch jungfräulich in das nicht unbeschriebene Früchtchen Tiago unsterblich verliebt. Wie er beim Stierkampf leichtfüßig die schweren Tiere gegen die Bretter rennen lässt, das will gekonnt sein.

Und wer will schon glauben, dass die attraktive Eisverkäuferin Magali seine Schwester und nicht seine Geliebte sei. Aber all diese Konfusionen werden mit einer unglaublichen Leichtigkeit, fast nur skizziert im herrlichsten Provencelicht erzählt und wie Lea mit Tiago in die Camargue ausbüchst, so können Kamera und Regie diesen einzigartigen Reizen nicht widerstehen, lassen sich verführen vom Rausch der Sinne.

Drehbücher müssen nicht das Alleinseligmachende in der Filmwelt sein. Man soll sich vom Prickeln des Lebens und des Geschichtenerzählens ruhig verführen lassen, vor allem wenn man so ein wunderbares Ensemble an Schauspielern zusammenbekommen hat; wobei ein Jean Reno, ein Kaliber von Darsteller, wie es ihn in Deutschland gar nicht gibt, ein ganzes Ensemble mitzureißen vermag.

Wie vom Reiz der Camargue (weiße Pferde, tief stehende Sonne, blinkende Gewässer, unversehrte Natur, liebende Menschen) so lassen sich Kamera, Regie und Tondepartment nicht weniger mitreißen vom fröhlichen Erinnerungsabend mit Klampfe der alten Kämpen an die 70er-Hippie-Jahre, die Musik aus der Zeit ist einfach zu schön: .. und was wäre ein Mensch ohne seine Erinnerungen. Das macht das Menschsein aus, das kann vergessenes Menschsein wieder beleben, das Leben auch im Alter oder der noch hoffenden Jugend lebenswert machen. „In the Summertime“, „Let the Sunshine in“, „I was born“..

Die Kühe furzen und machen Löcher ins Ozon, so beschreibt Reno die Ansicht der veganen und umweltschützerischen Städter – liebenswürdig, nicht? Für ihn ist allerdings fair, was nicht zu viel kostet. „Ich habe immer die Natur verteidigt, aber nie gesagt, ich will in ihr leben.“

Stierereignis: Capelado

Wie leicht dieser französische Provence-Film ist fällt besonders auf, wenn man jüngere, deutsche Provencefilme zum Vergleich bemüht: Stiller Sommer und Halbschatten.

Ein familien- und publikumsfreundliches Sommer-Feelgood-Film, provenzalisch fein gewürzt. Kleines Trostpflästerchen für einen meteorologisch unerfreulichen Sommer 2014 bei uns. Hier in den Alpillen gibt es keine landwirtschaftliche Mühsal.

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