Schoßgebete

Sönke Wortmann ist sich für nichts zu schön. Vor einiger Zeit hat er ohne mit der Wimper zu zucken den Regieauftrag für „die Päpstin“ übernommen, nachdem die Produktion unfairerweise Volker Schlöndorff wegen eines Zeitungsinterviews geschasst hatte. Jetzt macht er aus dem schauderlichen Drehbuchdurcheinander, welches der Produzent (Drehbuchschreiben ist keine Kunst, solange es Bestseller gibt; das ist leicht verdientes Nebenbei-Geld) Oliver Berben zusammengebastelt hat, einen noch schauderlicheren, fettigen FilmStampfMampf, dass einen die Kinoübelkeit übermannt.

Herauszulesen aus dieser fernsehasthmatischen Bienenoptik ist, dass es in Charlottes Roches Roman, der dem Drehbuch zugrunde liegt, durchaus um ernste Themen geht: um Liebe, Tod und Sex, um Verlustängste, Urängste, auch um die Freiheit, sich nichts bieten zu lassen und nebenbei noch um ein bisschen Liebeshygiene und um therapeutische Behandlung, also um all die kleinen Ärgernisse, die das Leben gerade nicht so schön erscheinen lassen, wie man es gerne hätte, die aber Menschen, wie Wortmann sie inszeniert, wirklich nur als Ärgernisse sehen, nie aber existentiell, so ernst wird hier nicht an Figuren gearbeitet. Insofern sind es lauter Herrenmenschen, denen das Leben eh nichts anhaben kann; denn alles ist bewältigbar, auch der Tod.

Ein weiteres, überflüßiges und belangloses Hochförderprodukt, wie es nur im Pfründenland gedeihen kann, wo keiner Drehbüher lesen will noch kann, wo nur die Namen und die Höhe der Gagen der Stars und des Regisseurs als Qualitätsmerkmale blanco genommen werden.

Und jeder Angefragte ist glücklich, in so einem Mampf mittun, resp. mitkassieren zu dürfen. Jürgen Vogel als der Ehemann Georg von Lavinia Wilson als Elizabeth. Er ist immer glaubwürdig, er behauptet mit seinen Rollen die entsprechenden Positionen. Nächster Name, wenn wir schon am Droppen sind, Juliane Köhler. Sie dürfte sich in ihrer Rollenvorbereitung nebst dem Textmemorieren darauf beschränkt haben, für jede Szene, die sie als Psychiatrin abzuliefern hat, eine etwas andere Sitzhaltung herauszufinden, tiefer ging ihrer Recherche ihrer Figur offenbar nicht. Das könnte, wenn es denn preisgegeben würde, eine eklatante Diskrepanz zwischen Resultat und Gage (auch aus Zwangsgebühren) offenbar werden lassen.

Der eindrücklichste Satz, der in diesem fetten Brei aus Sprache und Musik gesetzt worden ist: „Das ist ne Original-Kinderleiche aus dem Schwarzwald“. Da hat einer an seinem Satz gearbeitet. Ob das der Regie bewusst war? Wenn ja, dann dürfte diese sprachliche Herausgehobenheit des Satzes als Ansatzpunkt zur Selbstinterpretation des Filmes gelesen werden.

Die Themen sind ernsthaft. Auf dem Weg zu Elizabeths Hochzeit mit dem Vater ihres Kindes verunglückt Elizabeths Mutter, gerät mit deren drei Geschwistern in eine Massenkarambolage, die Geschwister sterben, die Mutter wird schwer verletzt. Szenen von unmittelbar nach dem Massenunfall, noch bevor der Tanklaster explodiert, erinnern an Kriegsszenen aus dem Nahen Osten.

Dummerweise sieht Elizabeth Fotos von dem Unfall in den Zeitungen. Das löst Ängstträume in ihr aus und auch eine Wut auf die Medien. Das Medienbashing, das eröffnet den Film. Sie sieht sich als Terroristin und ballert eine ganze Redaktion nieder. Jedoch fängt gleich nach dieser verheißungsvollen Eröffnungssequenz der große Storytelling-Verhau an: die Besuche bei der Psychiatrin, beim Anwalt (zum dauernden Ändern des Testaments), die Besuche mit Georg im Bordell (um Sexualität zu Dritt zu erfahren), Würmer im Analbereich, die Flashbacks zu früher, die Zusammentreffen mit dem Vater ihrer Tochter, Robert Gwisdek als Stefan (der einmal mehr als besonders ernsthafter und rollenreflektiert Schauspieler auffällt) und Szenen mit ihrer Tochter wechseln, damit sie sich halt abwechseln.

Als Koproduzenten haben sich bei diesem StampfMampf keinen guten Ruf gemacht: die öffentlich-rechtlichen Zwangsgebühren-Treuhänder
WDR, Intendant Tom Buhrow
ARTE, Präsidentin Véronique Cayla

und die Filmförderer

Film- und Medienstiftung NRW, Geschäftsführerin Petra Müller, Vorsitzende Aufsichtsrat: Dr. Frauke Gerlach
FFF Bayern, Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Schäfer; Vorsitzende des Aufsichtsrates Staatsministerin Ilse Aigner
Deutscher Filmförderfonds DFFF, Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters
Filmförderungsanstalt FFA, Vorstand Peter Dinges
Fette Rote Karte des Zwangsgebührenentrichters (der allmählich gegen das staatlicher Fördern von so schwachen Drehbüchern Guerillakämpferfantasien entwickelt wie Elizabeth im Film).

Die Rosinen im Film dürften einige Orignalsprüche aus dem Roman von Charlotte Roche sein:
Ich habe mehr Neurosen als andere Frauen Schuhe.
Glücklich nur beim Sex.
Der Tod liegt immer zwischen mir und meinem Mann im Bett.
Fick mich ins Leben zurück.
Es ist schwer für mich, Sex zu haben, ohne an Alice Schwarzer zu denken.

Die Heizdecke gibt’s zum Finale.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert