Klinik des Dr. Blanche (arte, 12. September 2014, 20.15 Uhr)

Der Fall Mollath zeigt, wie aktuell das Psychiatrie-Thema ist. Dieser Film kommt aus Frankreich und spielt im vorletzten Jahrhundert. Auch da wurde schon heftig gestritten um psychiatrische Behandlungsmethoden. Es geht um den Fall eines Kriegstraumatisierten. Auch dieses Thema ist bei uns nach dem Afghanistankrieg wieder aktuell.

Sarah Lévy verfilmt kulinarisch im Gewand eines schön-dekorativen Kostümfilms, fast Tappisseriefilms, als einfach nachzuvollziehende, ernsthafte Geschichte den Richtungsstreit über die erfolgreiche Behandlung von Wahnsinnigen zwischen dem Psychiater Prof. Blanche (Philippe Laudenbach), der seine Promipatienten vor allem durch Gespräche im gehobenen Ambiente einer Landvilla behandelt, und Professor Leuret (Lionnel Astier), der seine weniger vermögenden Klienten weniger zimperlich in dunklen, feuchten Kellern wie Tiere gefangen hält und traktiert („ein Menschenschinder der übelsten Sorte“).

Das Bindeglied in diesem Streit ist der Sohn von Prof. Blanche, Emile Blanche, gespielt vom markantgesichtigen, schlank-männlichen Stanley Weber, der mit seinem Schnauzer, der hohen Frisur und im historischen Kostüm vor allem gut aussehend ist, dem man das Need zur Forschung nicht unbedingt abnimmt. Er soll in absehbarer Zeit die Privatklinik seines Vaters übernehmen. Er will aber nicht nur als der „Sohn von“ gelten, er will sich seinen eigenen Reim zum Thema „Behandlung psychisch Kranker“ machen. Deshalb stuiert er beim Erzfeind seines Vaters, Dr. Leuret, davon verspricht er sich mehr.

Der Fall an dem sich der Wettbewerb der konkurrierenden Heilmethoden entzündet, ist der hoffnungslose Fall des algerienkriegtraumatisierten Saturnin (Serge Riaboukine). Saturnin ist nur noch apathisch, isst nicht, zeigt keinerlei Reaktionen, spricht nicht. Professor Leuret gibt dem jungen Blanche 3 Monate Zeit, um Saturnin zum Sprechen zu bringen. Ein Wort genüge, um damit Leurets Lehre von der physisch-brutalen Behandlung den Boden zu entziehen.

Da der Film sich jetzt nicht in der Mühsal der Geduld verlieren will, die diese Aufgabe mit sich bringt, füllt er einige Filmzeit mit den Daunen einer Liebesgeschichte. Die Mutter von Emile denkt an die Zukunft sowohl der Klinik als auch ihrer Familie. Sie versucht ihren Sohn an die junge Angstellte Félicie, einer leicht halbschlau wirkenden Halbschönheit, zu verkuppeln („die Vorräte an Baldrian gehen auch bald zur Neige“). Die zur Liebe Ausersehenen können erst mal gar nichts miteinander anfangen. Félicie ist an einer Funktionsheirat nicht interessiert. Diese Liebensollenden wirken fremdgesteuert. Das ergibt als Füllmaterial immerhin nette und weniger nette Begegnungen und Gespräche und Mahlzeiten in exklusivem Ambiente.

Als Katalysator in der Behandlung von Saturnin, die in der feinen Klinik von Blanche-Senior stattfindet, entpuppt sich der prominente Mitpatient, der Dichter Gérard Nerval (Bruno Lochet). Er ist der eigentlich kreative Kopf, der den Ursachen der Sprachlosigkeit von Saturnin auf den Grund geht, sie in seinen Kriegserlebnissen sucht.

Fernsehpassable Routinesynchro.

Ein Plädoyer für die Methode von Blanche-Junior und Nerval, dass man dem Wahnsinn, der Erkrankung nur mit Gesprächen, mit Erforschung von deren auslösenden Ereignissen beikommen kann. Bei aller leichten Verdaulichkeit des Filmes kommt diese Message glasklar rüber; der Prozess zu dieser Erkenntns war schmerzhaft; aber dem Zuschauer bleiben die Schmerzen erspart.

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