A most wanted Man

John le Carré, der berühmte Agententhrillerautor, möchte mit seinem Buch, das diesem Film zugrunde liegt, ein Licht werfen auf die Ängste und Aufgeregtheiten in der staatlichen Sicherheitsindustrie nach 2011. (Das Attentat ist von Hamburg aus vorbereitet worden. Es hätte bei einwandfreiem Funktionieren der Geheimdienste verhindert werden können.)

Es gibt im Film zwei Exponenten konkurrierender Sicherheitsbehörden. Günther Bachmann, eine der vielen letzten Rollen des überzeugenden Philip Seymour Hoffman, der eher eigenständig arbeitet, und Dieter Mohr (Rainer Bock), der wie ein Ableger der Amis agiert und offenbar im Innenministerium in Berlin sein Wirkzentrum hat.

An diesen beiden Figuren sollen sich die verschiedenen Abwehrdispositive reiben; das wird im Film recht sachlich, informativ wie in einem Sicherheitsseminar aufbereitet, denn keine der beiden Figuren ist die Hauptfigur des Filmes, was vermutlich der größte Mangel an der Drehbuchbearbeitung durch Andrew Bovell ist. Für keine der beiden Figuren hängt viel davon ab, ob sie in der Gefahrenabwehr erfolgreich sind oder nicht.

Der Fall, um den es geht, ist ein recht merkwürdiger. Ein tschetschenischer Islamist, Issa Karpov, Issa wie Jesus, taucht in Hamburg auf. Die Behörden sind alarmiert. Sein Anliegen ist jedoch nicht die Gründung einer neuen Terrorzelle oder der Beitritt zu einer bereits bestehenden. Issa möchte eine Erbschaft seines Vaters antreten. Dieser hatte ein Vermögen dem Vater des Bankers Thomas Brue zur Aufbewahrung anvertraut. Willem Dafoe spielt diesen Banker, er scheint sich anfangs in der Rolle allerdings nicht so richtig heimisch zu fühlen. Es geht um ein Millionenvermögen.

Die Sicherheitsbehörden lassen sich von Bachmann überreden, nicht gleich zuzuschlagen, sondern den Tschetschenen zu überwachen, um herauszufinden, was er mit dem Geld vorhabe. Aber, oh Unglück für den Thrill im Thriller, erstens ist auch er nicht die Hauptfigur, bleibt also dem Zuschauer auch recht egal, und zweitens, das ist noch schlimmer, ist er ein schuldbewusster, unglücklicher Mensch, der von Regie (der weltbekannte Fotograf Anton Corbijn) und Buch offenbar nur auf diesen einen Ausdruck getrimmt ist.

Die Anwältin Annabel Richter lässt sich von Bachmann als Lockvogel verpflichten. Die Beziehung zwischen ihr und Issa wird im Film allerdings nicht ausgeschrieben. Dabei spielen die Gefühle mit. Das verkompliziert die Angelegenheit, macht sie riskant.

Die Szenen wirken alle so, als ob das Skelett einer Analyse eines Falles, der gut recherchiert sein mag, bebildert werden soll. Mehr nicht. Philipp Seymour Hoffman habe vor allem sich selber inszeniert, so steht es im Presseheft, dadurch wirkt er glaubhaft wie immer, während er offenbar seine deutschen Gegenparts, Nina Hoss als Erna Frey und Daniel Brühl als Maximilian, eher eingeschüchtert, denn aufgemacht hat. Dadurch wirken sie steif und unbeweglich. Das mag mit an der mangelnden Regieerfahrung von Anton Corbijn liegen, der andererseits sein fotografisches Talent nicht augenfällig einbringen konnte bei der Tatortdramaturgie-Philosophie, die der Drehbuchbearbeitung zu Grunde zu liegen scheint. Mit Tatort-Dramaturgie meine ich, dass hier ein Fall als solcher vorgeführt wird ohne eine Hauptperson, der die Empathie gilt.

Der Film ist nicht viel mehr als das Filettieren und Offenlegen eines Falles, die Figuren sind auf das Funktionieren darin reduziert, sie haben keine Konflikte, resp. diese werden nicht offengelegt.

Kurz zum Lachen: die Kneipe „zum Silbersack“ und der Sportclub „zur Ritze“ – und das wars dann auch schon mit dem Humor. Vielleicht noch der Name Mr. Lippizaner.

Die Szenen informieren immer darüber, was passiert. Handlung existiert in diesem Sinne nicht, Konflikte müssen nicht gelöst werden, die würden die Filettierung stören, den reinen Kasus. Oft ist die Musik die einzige, die versucht dem Zuschauer mitzuteilen, dass hier Spannung beabsichtigt ist.

Die Ordentlichkeit von Inszenierung und Regie erweist dem gepflegten Fernsehspiel die Reverenz. Der Fotograf Corbijn belegt hier, dass er nicht sicher über eine fließende, smarte Filmsprache verfügt, der narrative Fluß ist zäh, viele Dinge, die nur der Information dienen, werden viel zu ausführlich behandelt, zum Beispiel die Verwanzung des Zimmers von Issa; so ist es nur illustrativ und nicht spannungserzeugend, die Info allein kann dem Zuschauer im Bruchteil einer Sekunde mit einem Bild mitgeteilt werden; hier wird sie ellenlang ins Detail ausgewalzt, um zu zeigen, wie das gemacht wird, Anleitung zur Installation von Wanzen.

Es gibt zwar die persönliche Pleitegeschichte von Bachmann in Beirut, weshalb er nach Hamburg degradiert wude, aber auf die Handlung, auf den Thrill hat sie keinen Einfluss, auch sie ist lediglich Information, die zu nichts nütze ist.

Wie Issa im plastikplanenverhängten Zimmer Papierflieger wirft und das vom Sicherheitsapparat beobachtet wird, scheint wie ein Poesieversuch; ein Hinweis auf seine Harmlosigkeit?

Was braucht es für einen guten Film, welche drei Dinge? Ein gutes Buch, ein gutes Buch, ein gutes Buch!

Issa versucht als einziger sein Rollenprofil zu erfüllen, dass er sich verloren fühle. Beim Satz, mit dem Bachmann seine Motivation erklären will, to make the world a better place, da ist nicht klar, ob der nun ironisches Zitat ist oder bierernste Geheimdienstideologie.

Und dann, welch dramatischer Aufwand, wie Abdullah seine letzte Unterschrift leisten soll. Nur Pseudothrillerspannung, gespielt durch die anwesenden Beobachter, im Kinopublikum nicht ein Ausschlag spürbar, man weiß es theoretisch, dass er sich damit ans Messer liefern wird. Aber auch dies ist nur als Info in den Film gebracht worden und nicht als empirisch drohendes Verhängnis für ihn, wobei diese Figur einem sowieso herzlich wurst ist. Denn er ist gar nicht als Bösewicht vorgestellt worden.

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