Die Entführung des Michel Houellebecq (arte, am 27.8. 2014 um 21.40 Uhr)

„Entführung“ ist in diesem Spielfilm von Guillaume Nicloux, der sich als Dokumentarfilm gebärdet (kameratechnisch aber überhaupt nicht), eine recht eigenwillige Interpretation des Begriffs Interview. Wobei es sich um ein erfundenes Interview handeln dürfte, wenn ich das recht sehe.

Der Film ist ein Promiploitation-Produkt. Es geht um den auch bei uns berühmten französischen Autoren Michel Houellebecq. Er wird von einem Schauspieler als recht abgefuckte Figur am Rande der Misanthropie dargestellt und weniger als ein hellwach beboachtender Zeitgenosse mit scharfen Augen und ebensolchem Verstand, wie mir Houellebecq auf Originalbildern vorkommt.

Interview realistisch interpretiert als ein Herausgerissen-Werden des zu Interviewenden aus seinem Lebensrhythmus, aus seiner Arbeit, welche im 23. Stock eines feinen Wohnhochhauses in einem Pariser Vorort stattfindet.

Interview regelrecht interpretiert als gewaltsame Entfühung und Verschleppung, das ist durchaus reizvoll als Bild. Das Opfer lässt es widerstandslos mit sich geschehen. Houellebecq lässt sich bereitwillig die Hände fesseln, den Mund verkleben und sich in eine grüne Kiste mit Luftlöchern packen für den Transport in eine abgelegene Behausung eine Gehöfts, das offenbar der Ausschlachtung von Autos dient, halb Schrottplatz und dort in ein Häuschen, dessen Innenausstattung einen Preis für besondere Spießigkeit verdiente.

Entführt und bewacht wird er von lauter bulligen Typen, Boxern und Bodybuildern. Einer davon ist ein dezidierter und bewusster Roma dazu, der die Dichter bewundert.

Klar ist, dass die Entführung nur etwa 8 Tage dauern wird. Unklar ist, wer sie angeordnet hat, auf jeden Fall nicht Mr. Hollande, und unklar ist auch, wer das Lösegeld zahlt. Houellebecq hat einzig ein Problem mit einem Termin bei seinem Agenten am nächsten Wochentag, am Montag. Der würde sicher stutzig werden und die Polizei alarmieren, weil Houellebecq als sehr zuverlässig gelte; bei einem Dichter muss das Wort zählen.

Das „Interview“ selbst ist mehr ein Tour d’horizon durch die verschiedensten Themen, dümpelt teils etwas bemüht dahin, nie aber geistlos. Es fängt mit Blabla über Städtebau an, es geht um Küchenumbau, Mozart, Le Corbusier, Literaturjury, Muskeltraining, Helilärm, das Hochhaus ein Dorf (dann wäre Houellebecq ganz oben der Dorfvorsteher), Glaukom, Unterschied zwischen Gedicht und Roman, Alexandriner, der kreative Prozess aus dem Nichts, Alkohol und Kulinarisches, Koks, Schwule, Mallarmé, Armenier, Auschwitz, die Gleichgültigkeit dem Tod gegenüber, Journalisten und Wahrheit, Selbstgespräche, Herkunft aus der Normandie, Boxkämpfe auf Großbidldchirm, Würgegriff, Triangel-Würgegriff, Hebelgriff. Frage eines Bewachers: könntest Du ein Buch über mich schreiben?

Ginette ist die Gastgeberin. Ihr Mann war Pole. Über Polen zur Zeit des Eisernen Vorhanges. Die Entführer stellen dem Entführten Fatima zur Verfügung. Das taugt ihm. Bezahlen tun die Entführer. Und immer wieder hat Houellebecq Ohrschmerzen.
Er schreibt, angegkettet, ein Gedicht für Ginette. Houellebecq wird inszeniert als ein Häufchen Mensch von Schrifsteller, kettenrauchend.

Nach seiner Freilassung möchte der Autor einen Container auf diesem friedlichen Fleckchen Erde für die Wochenenden mieten.

2 Gedanken zu „Die Entführung des Michel Houellebecq (arte, am 27.8. 2014 um 21.40 Uhr)“

  1. Kleiner Tipp Bildersuche bei Google nach Michel Houllebeque suchen und noch einmal überlegen, ob er tatsächlich von einem Schauspieler dargestellt wurde.

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