Besser als Nix

Nix wär echt besser als das; sorry, für Ausnutzung der Titelvorlage, denn es handelt sich bei diesem Film wieder um einen dieser „Die-ganz-Mühe-umsonst“-Filme, einer Literaturverfilmung, hier nach einem Roman von Nina Pourlak, wozu das Drehbuch von Peer Klehmet und Ute Wieland (auch Regie) einfach nicht gründlich genug durchdacht und durchgearbeitet ist; ein weiterer Beweis für die darniederliegende Drehbuchkultur in Deutschland.

Der Verdacht entsteht, dass hierzulande unter Drehbuch für eine Literaturverfilmung verstanden wird, man blättere den Roman Seite für Seite, Kapitel für Kapitel durch, versuche filmbare Szenen herauszuziehen, übernehme so weit vorhanden Dialoge und wenn nicht, schustere man, genau das ist das Wort, welche zusammen, die weder mit dem Roman noch mit der Realität so richtig kompatibel sind. Das wichtigste einer Drehbucharbeit wird schlicht nicht geleistet, nämlich eine gründliche Analyse der Konfliktsituation der Hauptfigur und wie dieser Konflikt im Interesse von filmischer Spannungserzeugung in das Buch eingearbeitet werden kann. Womit den Schauspielern dankbares Rollenfutter und den Zuschauern verträglichere Sehfreude geboten werden könnte. (Ein typisches Beispiel für solch dilettantische Drehbuchkleisterei lieferte Der Geschmack von Apfelkernen).

Francois Goeske in der Hauptrolle des Tom Rasmus ist sicherlich begabt und dem jungen Alter gemäß recht hübsch, aber er kann einem leid tun, diese Rolle, mit der der Film steht und fällt, spielen zu müssen. Denn seine Figur ist nicht auf das Hauptthema des Filmes, den Tod, durchforstet worden. Wobei nach und nach einige Informationen dazu zwar an den Tag kommen, aber sie wirken so spät nur noch wie Fußnoten, rein informativ (der Vollständigkeit halbe quasi) statt spannungserzeugend.

Wenn der Zuschauer von Anfang an wüsste, dass Tom den Selbstmord seiner Mutter, obwohl der schon drei Jahre her ist, verkraften muss, dass er eine Affinität zum Thema Tod hat, dann würde das Angebot des Arbeitsamtes, eine Lehre als Bestattungsfachkraft einen ganz besonderen Reiz bekommen. So aber wirkt es wie eine Zufallslösung, die zwar insofern passt, als er sich in Gothicstyle-Schwarz kleidet. Das wiederum benutzt der Film, um anzuzeigen: hallo Publikum, hier wird’s makaber. Das wird es dann auch. Aber offenbar lediglich um des Makabren willen.

So muss in einer vollkommen unrealistischen Szene im Bestattungsinstitut, weil die ukrainische Mitarbeiterin mitten im Ausstellungsraum Tee kochen will, die Urne eines Juweliers vom Regal auf die Anrichte fallen (ausklappbarer Sargteil) und die Asche vom Juewelier herausstieben. In einer schwach inszenierten Slapstickszene muss der Lehrling versuchen die Asche des Juweliers schnellstmöglich wegzuschaffen, weil der Chef zu früh zurückkehrt. Die Schlusspointe dieser Szene, die ist nicht schlecht: dass der Chef den Urnenunfall nicht bemerkt und nach einem kurzen Innehalten lediglich nach gedankenvoller Pause anmerkt, der Tee sei gut.

Auch das Verhältnis von Tom zum Vater, der ein berühmter Ex-Fußballer gewesen sein soll vor 20 Jahren und der jetzt Alkoholiker und Trainer der Jugendmannschaft des Griebener Fußballverbandes ist, wird vom Drehbuch her nicht reflektiert und wie sich das auf Toms Berufswahl auswirkt.

Statt seriöser Drehbucharbeit wurde fleißig an der Herstellung makabrer Situationen getüftelt anhand des Leitfadens des Romans, vermute ich, Romanausschlachtung mit der Intention des Herausschälens von Makabrität. Ha, ha, wir schlagen dem Tod ein Schnippchen. Solche Absichten mögen dem Film vielleicht im Fernsehen zu einer Beachtung helfen, fürs Kino ist er wie eine Totgeburt.

Spät im Film gibt es ein paar wilde, bildnerische Eskapaden von Kamera, Inszenierung und Effekten. Das ist an der Stelle, wie Tom zum Selbstmordunfall seines Freundes Mike gerufen wird. Diese auffälligen kinematographischen Eskapaden schleudern den Film allerdings aus seiner bisher befahrenen Schiene und es ist nicht mehr auszumachen, was Traum ist, was Vision und was Erzählrealität. Dasselbe gilt für die Party der Jugendlichen im Leichenpräparationsraum des Bestattungsinstitutes. Die ist immerhin schön schwarzhumorig. Den ganzen Film auf dem Level einer solchen Grusel-Groteske durchgezogen könnte ihm beachtliche Erfolgschancen eröffnen. Das ist wohl der Unterschied zwischen dem Leben und der Kunst, in der Kunst kann das Groteske konzentriert werden, im Leben kommt es mal vor, mal nicht. Und wenn es im Film mal vorkommt und mal nicht, so fühlt der Zuschauer, der wissen will, auf was er sich einlässt, getäuscht.

Statt eine tragende filmdramaturgische Struktur zu entwickeln, haben die Macher auf einen Bohei von Zusammenkünstelung eines Castes ihre Energie verschwendet; welcher bei schlecht geschriebenen Rollen sowieso egal ist. Mangels Inszenierungskunst der Regisseurin werden außerdem manche Szenen recht steif gespielt, wenn gleich am ersten Arbeitstag im Bestattungsbetrieb Tom auf drei trauernde Frauen trifft, bei der Beengtheit des Institutes eine unglaubwürdige Situation (insofern müsste sie filmerzählerisch dringend begründet werden; wird sie aber nicht), so scheint hier alles auf den Witz hin inszeniert zu sein, dass die eine sich vorstellt, sie sei die Frau des Verschiedenen, die zweite, sie sei die Tochter und die dritte, sie sei die Geliebte. So viel Aufwand für eine wenig ergiebige Szene mit einer dürren Pointe, die mit dem Thema Tod nicht lustiger wird.

Einsames Licht in der Besetzung ist Nicolette Krebitz als Olga Petrowa in einer überzeugenden Angestellten-Knallcharge mit dem ukrainischen Akzent und strohblonder Perücke; sie hat jene Souveränität, die Voraussetzung ist für die Art makabrer Komödie, die offenbar die Absicht der Filmemacher war. Damit steht sie wie das einsame Männlein im Walde des inhomogenen Castes.

Wotan Wilke Möhring scheint sich auf seine Rolle überhaupt nicht vorbereitet zu haben, noch scheint er sie analysiert zu haben, schon gar nicht im Hinblick auf das Thema Tod, sonst hätte er sie wohl absagen müssen, wenn er schauspielerisch etwas auf sich hielte. Denn die Figur, einerseits Alkoholiker, andererseits strammer Fußballtrainer, der nur nuancenlos brüllt ist ein Billiggrobian und sonst nichts. Er ist von der Bauchphysiognomie her schwabbelig und dick, entweder ist er so geworden (dann sollte es aber bittschön im Sinne des Makabren für den Film nutzbar gemacht werden) oder er hat sich ungeschickt eine Bauchrolle unters Shirt binden lassen, und wenn ja, wieso? Das ist die einzige Frage, die sich mir zu dieser Rolle stellt.

Sein Highlight hat der junge Tom in der Szene, in der er am Unfallort erkennt, dass sein Freund Mike das Opfer ist. Wobei das den Zuschauer ziemlich gleichgültig lässt, weil das Buch es unterlassen hat, diese Freundschaft empirisch als einen Wert empathisch mitzuerleben (vermutlich vor lauter Präokkupation durch der Suche nach dem Makabren). Toms expressionistische Gesten und Mimik, die kommen schön, besonders in der Zeitlupe.

Bleibt von den „Namen“ noch Hannelore Elsner, die hier angenehm zurückhaltend agiert, wenn auch mit einer Präsenz, die keinen Untertext zulässt, schon gar nicht zum Thema Tod. Sie scheint so nah wie möglich bei sich selber zu sein. Aber ihre Texte haben etwas Fremdes, wirken wie aufoktroyiert. Frau Elsner dürfte schätzungsweise besetzt worden sein, nicht etwa, weil sie für die Rolle prädestiniert wäre, sondern weil Regisseurin und die Produzenten davon ausgehen, dass sie mit einem Letter of Intent von ihr (ebenso wie von Möring und Krebitz) die Subventionen wie am Schnürchen zum Fließen bringen. Die kalkülfunktionablen Schnürchen spielten in diesem Falle Medienboard Berlin-Brandenburg und dieMitteldeutsche Medienförderung.

Die Chefs dieser Filmförderer, Kirsten Niehuus, Elmar Giglinger (Geschäftsführung Medienboard Berlin-Brandenburg) und Manfred Schmidt, (Geschäftsführer Mitteldeutsche Medienförderung), die für ihre Posten sicher anständig bezahlt werden, sollten dafür gute Leistung erbringen und Mitarbeiter einstellen, die Ahnung vom Drehbuchlesen haben und die nicht halbfertige Drehbücher fördern, deren Verfilmung im Kino kaum Aussicht auf Chancen zum Überleben haben. Der dumme DFFF unter Monika Grütters, der auch mitgefördert hat, der schaut gar nicht erst hin, was er fördert.

Ute Wieland besorgte die hemdsärmelige Regie. Sie knallte eine vermeintlich fetzige Musik drüber, die vermuten lässt, dass sie sich damit an ein junges Publikum ranschmeißen möchte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Rechnung aufgeht.
Dialog: Lehrerin: ein Vollidiot hat die Luft rausgelassen und das Ventil weggeworfen.
Tom: Willkommen in Grieben.
Und schon sind die beiden praktisch ein Paar (Regie unter brutaler Negierung menschlicher Kompliziertheit und Mechanismen). Das ist weder satirisch, noch fernsehrealistisch inszeniert, nur unorganisch, unglaubwürdig hingeschleudert.

Hölzerne Dialoge, immerhin in gewisser Weise zielführend.
Das Drehbuch verwirrt mit Problemvielfalt und dröselt die auch nicht nachvollziehbar auf. Auf Tom stürmen ein: die Frau, die Jobsuche resp. der neue Job, die Fahrprüfung, die HIV-Infektion der Angestellten und dann ist da auch noch der alkoholisierte Vater und schließlich der Selbstmord seines Freundes. Die immer wieder dazwischen geschnittenen Kreiselfahrten in Grieben sind keine Erhellung.

Leider nimmt auch der Rabe Igor im Bestattungsinstitut keine sinnvolle Funktion ein, außer dass die Filmemacherin uns erzählen will, sie finde das lustig.

Lehrreich: Herzschrittmacher müssen vor der Kremation aus den Leichen herausgeholt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert