Eldorado (arte, Mittwoch, 6. August 2014, 20.15 Uhr)

Spekulation wäre die Behauptung, dass Bouli Lanners, der Autor, Regisseur und einer der beiden Protagonisten des Filmes, hier persönliche Erfahrungen verarbeiten würde; könnte aber eine Begründung dafür liefern, warum der Film einen mit sanfter Hand anrührt und fesselt.

Dass der Film in Frankreich und Belgien ein großer Kinoerfolg war, mag darin begründet liegen, dass er in unaufdringlichem Untertext etwas über die Anwesenheit von Menschlichkeit in einer Gesellschaft erzhält, in der diese nicht mehr so ganz selbstverständlich ist.

Formal jedenfalls, das ist keine Spekulation, handelt es sich um ein leise melancholisches, teils surrealistisches, in der Nähe eines Existenzsymbolismus anzusiedelnden Roadmovies zweier Randfiguren. Ivan, Bouli Lanners, sieht langhaarig verzottelt aus, wie man sich vielleicht Ivan den Schrecklichen vorstellt, ist aber ein herzensguter Mensch, obzwar ab und an mit leicht zweifelndem Blick und nicht ohne Selbstvorwürfe hinsichtlich der eigenen Menschlichkeit. Das wird an der Stelle klar, wo er über den Tod seines kleines Bruders, eines Junkies, reflektiert. Er hätte sich sich zu wenig um seine Familie gekümmert, meint er.

Anlass für diese Gedanken ist der Besuch bei der Mutter von Didier, dem zweiten Protagonisten, Fabrice Adde, einem jungen Mann, der ein gegensätzlicher Typ zu Ivan ist und deutlich jünger. Ivan hat ihn bei sich zuhause überrascht als Einbrecher. Hat ihn mitgenommen in seinem Chevrolet, Baujahr 79, dem Geburtsjahr von Didier, der behauptet, er sei clean seit zwei Wochen, er brauche nur etwas Geld, um zu seiner Mutter zu fahren.

Produktionsjahr des Filmes ist 2008, als Produktionsländer sind Belgien und Frankreich angegeben. Die deutsche Synchro kann mit dem Niveau des Filmes nicht mithalten.

Es wirkt im Nachhinein so, als wolle Ivan mit väterlicher Haltung am jungen Streuner Dinge gut machen, die er seinem Bruder nicht hat zukommen lassen, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Fürsorglichkeit.

Die Delle in der bürgerlichen Gesellschaft, die weiter kaum vorkommt im Film, ist durch die Delle in den Dächern der Schrottautos in einer Garage symbolisiert, zu der ein hilfsbereiter Mann die beiden mitnimmt, weil sie eine Panne haben. Die Dellen stammen alle von Selbstmördern. Um das Bild surrealistisch-absurd fortzuführen, um den Ernst der Angelegenheit etwas abzubiegen, wird Ivan ein Hund von der Brücke auf das Dach fallen. Den Hund wird er am Ende begraben. Dort liegt er.

Dass der Film durchaus als eine persönliche Leidens- und Heilsgeschichte gelesen werden soll, den Hinweis mag man, so man will, der ersten Szene entnehmen, in der ein selbsternannter Messias verkündet: ein zweites Mal werde er sich nicht kreuzigen lassen. Möglicherweise ein Hinweis auf das Verhaltensmotiv von Ivan Didier gegenüber.

Man könnte jetzt noch darüber nachdenken, was Bouli Lanners mit dem Titel meint, ob er mit diesem Film glaubt, sein eigenes Eldorado gefunden zu haben, indem er seine eigene Leidensgeschichte erzählt?

Der Nacktcamper, der den beiden auf dem Campingplatz behilflich ist, heißt Alain Delon.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert