Zoran – Mein Neffe, der Idiot

Die Provinz ist es wert, genauer hinzuschauen. Das hat Matteo Oleotto, der Regisseur dieses Filmes, der mit Daniela Gambar und Pier Paolog Pciarelli auch das Drehbuch geschrieben hat, nach einem mehrjährigen Romaufenthalt erkannt. Seine Heimat, das ist das Friaul. Hier im Film kommt auch das benachbarte Slowenien vor und spielt eine Rolle.

Was der Städter im ersten Moment, wenn er in die Provinz kommt, vielleicht als langweilig betrachten mag, als Ereignislosigkeit, kann sich bei genauerem Hinschauen und wenn man sich die Mühe macht, als Mega-Event erweisen. Oleotto hat mit diesem Film einen ergiebigen Fischzug getan. Eine Erscheinung ist allein die Hauptfigur, Giuseppe Battiston als Signore Paolo Bresson. Seine Körperfülle, sein wildes Haar erinnern an Rübezahl. An eine aufbrausend, unbezähmbare Figur, die nicht imstande oder willens ist, sich an Regeln zu halten oder gar mit jemandem zusammenzuleben. Weshalb seine Ex Stefania mit dem langweiligen Alfio zusammen ist, der zuverlässig wie ein Beamter an ihre Feier- und Geburtstage denkt.

Paolo kann ein Wüterich sein. Er ist hinterhältig. Bei einem Unfall in der Küche (er arbeitet in der Küche eines Altenheimes), den er allein verschuldet, schiebt er die Schuld dem Stotterer Ernesto in die Schuhe. Allein am Phänomen des Stotterns ist die genau Arbeit des Regisseurs erkennbar mit einem Cast aus gestandenen Profis, Laien sowie dem Neuling, dem Ergänzungsspieler zu Paolo, dem im Titel angekündigten Neffen Zoran. Der aus Sicht von Paolo ein Idiot ist. Und der es in sich hat.

Paolo ist cattivo, hundsgemein, selbstgerecht dazu. Wenn sich die Gelegenheit bietet, dem Mann seiner Ex eins auszuwischen, so macht er das. Nächtlicher Steinwurf auf das schöne Anwesen. Und tags drauf scheinheilig dem Alfio helfen, die Überwachungskamera zu installieren. Und der Alkohol. Das Friaul ist eine Weingegend. In der Kneipe wird ein Brettspiel gespielt mit randvollen Weingläsern und eins nach dem anderen muss in einem Zug gekippt werden, egal, ob einer motorisiert ist oder nicht. Auch deswegen hat Paolo die Polizei am Hals.

Paolos Tante in Slowenien stirbt, um die er sich einen Scheißdreck gekümmert hat. So fährt er mit seinem rostigen, lottrigen Bus dorthin. Bringt den Neffen zurück, um den er sich kümmern soll. Das wird sich schnell als Hinterlist entpuppen. Wie er nämlich entdeckt, dass dieser ein hervorragender Dart-Spieler ist, will er mit ihm zu einem Dartwettbewerb nach Schottland fliegen, um damit Geld zu verdienen. Der Neffe ist das pure Gegenteil von Paolo. Eine dürre Bohnenstange, verhemmt, mit Wim-Wenders-Brille, ein stiller Mensch, aufmerksam und lernbegierig. Italienisch hat er aus zwei Büchern gelernt, die er für Meisterwerke hält und die in Italien kein Mensch kennt. Er ist perfekt in den Formen. Nach langer Zeit noch redet er seinen Onkel mit Herr und seinem vollen Namen an. Er wird sich aber auch seinem Onkel gegenüber als lernfähig erweisen. Denn die Liebe hat in ihm ein paar Knöpfe geöffnet. Ganz spröde, wie Oleotto den ersten Kuss nach einer Chorprobe zeigt. Und das Glück, das daraufhin dem Jungen aus allen Poren quillt. Denn wo Grobes, da muss auch Zartes sein.

Im Ort gibt es einen kleinen Männerchor. Der intoniert wunderbar sensibel. Da singt auch das Mädchen mit, zu dem sich Zorans Liebe entzündet. So wie der Regisseur entdeckt mit ihm der Zuschauer diesen Wundermikrokosmos, den er ganz ohne Eitelkeit oder Überheblichkeit, so wie wahrheitsgetreu, so weit das im Kino möglich ist, auf die Leinwand zaubert. Wer sich von städtischer Hektik und Unmenschlichkeit erholen will, der ist hier und zwar nicht im Sinne des Eskapismus, richtig.

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