No Turning Back

Was mit einem passiert, der ein richtiger Mann sein will.
Eine hintergründige, wenn nicht tief im Inneren eine nicht ganz ironierfreie, auf feinstem handwerklichem Niveau aller Film-Gewerke (Kamera, Kostüm, Ausstattung, Licht und die Spiele damit, Schnitt, Dialoge, Sprachregie, Hörstimmen übers Telefon) höchst elaborierte Erörterung des Paradoxes vom Mann, der zwar ein Mann sein möchte, aber auch rechtschaffen.

Wenn sich das ausgehen soll, dass einer nicht nur ein Mann, sondern auch ein braver Mann ist, kann schon die Welt über so einem zusammenbrechen. Ivan Locke heißt unser Protagonist in diesem exquisiten Film von Steven Knight. Locke wird – und er macht uns ohne Zweifel glauben, er sei die ideale Besetzung, wenn das mal keine Schauspielkunst ist – gespielt von Tom Hardy. Er sitzt den ganzen Film über am Steuer eines verführerisch leicht zu steuernden, schicken BMWs (eine bessere Produktwerbung kann sich ein Geschäftsmann kaum wünschen) und über das Telefon stürmt seine Umwelt auf ihn ein.

Ivan ist der Mann, der obzwar aus beschissenen Verhältnissen stammend, ein rechtschaffener Mann, ein braver Mann sein möchte. Er hat das bis heute auch erstklassig gehandhabt. Er ist zum bestrenommierten Vorarbeiter in einem großen Bauunternehmen geworden. Ist glücklich verheiratet mit Katrina; sie will gerade heute abend ihre Fußballbegeisterung mit ihrem Männerhaus teilen, die beiden Söhne erzählen dem Vater am Telefon freudig überrascht, dass sie heute Abend ein Trikot ihrer Lieblingsmannschaft angezogen habe.

Am nächsten Morgen früh wartet eine ganz spezielle Herausforderung beruflicher Art auf Ivan: das Fundament für ein 55 stöckiges Hochhaus muss gegossen werden; im Laufe der Telefonate wird klar, was für eine logistische Herausforderung das ist; denn der Zement muss stimmen, seine Feuchtigkeit und vor allem das Timing seiner Anlieferung, 335 metrische Tonnen Zement angeliefert von 218 Zementtransportern; das will alles koordiniert sein.

Heute soll aber, und da zeigts sich, dass der brave Mann auch nur ein Mann ist, eine Frau, die nicht unbedingt einem Ölgemälde entstiegen ist und auch schon über 40, die vor allem einsam ist, sich aber auf einer Dienstreise von diesem Mann hat begatten lassen, ein Kind von diesem Mann zur Welt bringen. Dieser einzige Fehltritt in seiner ganzen Ehe, wie Ivan am Telefon treuherzig erklärt, hat also zu einer Schwangerschaft geführt und Bethan, so heißt dieser One-Night-Stand, wollte nicht abtreiben. Heute Nacht will sie das Kind zur Welt bringen. Und Ivan, weil er sich als einen verantwortlichen Mann sieht, möchte zu den Folgen seines Fehltrittes stehen und bei der Geburt dabei sein.

Da die Geburt allerdings zwei Monate zu früh kommt, konnte er seine Frau noch nicht informieren. Der Zeitpunkt ist auch beruflich ungüngstig wegen des morgen früh anstehenden Gießens des Hochhaussockels.

Der ganze Film dreht sich nun darum, dass Ivan auf seiner Fahrt zum Spital einen verlässlichen Ersatz für seine berufliche Aufgabe finden muss, was einiges in Bewegung setzt ( der Ersatz ist ein Trinker, der ab 17 Uhr anfängt zu schlucken, auch seine Vorgestzten sind nicht einverstanden), dass die Geburt selbst mit Komplikationen mit der Nabelschnur verbunden ist, deshalb kommen aus der Geburtsklinik beunruhigende Anrufe und schließlich soll Locke das auch noch seiner ahnungslosen Frau schonend beibringen und schließlich ist da noch das Fußballspiel. Aber ein braver Mann, der nur ein braver, rechtschaffener Mann sein will, der löst das alles bravourös, in Form einer brillanten, filmischen Delikatesse, eines feinen Petit-Fours fulminant.

Notiz am Rande: Ivan weiß gar nichts über Bethan, jetzt im Auto erfährt er erst, dass sie im Gegensatz zu ihm Bücher liest, dass sie sich vorkommt „like waiting for God or Godot“.
Seine Autonummer: ADIO XSJ.
Und weiteres Männlichkeitsideal als flankierender Background: die Beschreibung des Tores zum 3:1 am Telefon durch Sohnemann, der Held: Caldwell.

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