Leaving Greece – Fluchtpunkt Griechenland (TV BR)

Hossein, Reza und Kaka sind minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan, die in Griechenland festsitzen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hat Anna Brass sie mehrfach besucht und gefilmt.

Sie fängt den Film mit Stimmungsbildern an, wie Jungs Lastwagen hinterherlaufen, um allenfalls aufzuspringen. Sie zeigt den Friedhof von Patras mit vielen Gräbern von Jungs, die alle beim Versuch auf LKWs aufzuspringen, um zu einem besseren Leben zu gelangen, ums Leben gekommen sind. Reza gießt Wasser auf die Gräber.

Ein Beispiel für einen Dokumentarfilm, der ein brennendes Thema hat, dieses aber vor lauter Mitgefühl in einem Dokumentarromantizismus ertränkt. Die armen Flüchtlingsjungs sind ja filmmalerisch so ergiebige Objekte, allein, wenn sie das Feuer unter der Brücke anzünden, Romantik wie im Pfadfinderlager.
Im Gegensatz zu Tuna Kaptan in Nacht Grenze Morgen kommt hier die gravierende Existenzsituation nicht so richtig zum Ausdruck.
Die Doku verträumt und verliert sich an malerischen Details ihrer armen „Behausungen“ unter Brücken. Clochard-Romantik. Und dann lassen sie Papierschifflein das Rinnsal runterfahren.
Jede Menge Begrüssungs- und Abschieds- und Tränenszenen.
Hossein kann nach Deutschland. Nichtssagende Fotos vom Aussteigen in D.
Rührjournalismus, weinende Begrüssung am Flughafen in Deutschland.
In Berlin weint die belogene Schwangere. Rührung.
17 Uhr bin ich in München und 19 Uhr ich bin in Salzburg.
Und wieder Emotion und Rührung bei Flughafenverabschiedung.
Nächtliche Umarmung, „endlich bist du angekommen“.
„Hast du Schnupfen“ (dabei weint er).
Der liebende Papa, das furzende Kind.
Die Ägäis, das Meer und knackige Jungs in Badehosen.
Zu viele Infos nur über Gerede oder News (Nachrichtenmix bei Autofahrt mit Afgh-D-Säugling: schwaches Geburtenland Deutschland. Anschläge in Afghanistan).
Ausfüllen Asylantrag zum ungeborenen Kind.
Und wenn uns in Patras das Geld ausgeht, gehen wir zurück ins Camp von Lesbos. Können immer wieder zurückkehren, weil wir minderjährig sind.
Sie schieben dich nicht ab, aber sie geben dir auch keinen Aufenthalt, hier ist Endstation.
Die Mutter wird immer schwangerer, während der Erzeuger in Griechenland festsitzt.
Details, Entchen im Auto in Berlin.
Rührjournalismus: der Vater gestorben und das mit Verzögerung erfahren.
Und dann lernen sie ein paar Sätze deutsch, wie entzückend, wie niedlich, wie mitleidspathetisch:
„das Leben ist schön“.

Die Haltung der Dokumentaristin, der öffentliche Zwangsgebührengelder anvertraut wurden (die BR-Fraktion der Zwangsgebühren-Rühr- und Niedlichjournalismus-Förderer führt an Hubert von Spreti gefolgt von Natalie Lambsdorff, Martin Kowalczyk), erinnert mich an gefühlsdusselige Negerlein-Romantik von anno dunnemals. Und Tischfusssball und Trommeln und Tanzen, nee, fürs gutmeinende Gutmenschsein bin ich nicht bereit, Zwangsgebühr zu entrichten! Das mag alles ganz nett sein, aber soll sich die Dokumentaristin ihr Geld beim Missionsverein besorgen; wenn sie denn den politischen Rahmen der Flüchtlingsschicksale und die dafür Verantwortlichen so konsequent ausblendet. Ein solcher Film, der mit öffentlichen, per Gesetz erzwungenen Geldern produziert wird, der ist meiner Meinung nach von Gesetzes wegen verpflichtet zur politischen Bildung, zu demokratischem Bewusstsein beizutragen; in Gefühlsdusseleien suhlen erfüllt diesen Auftrag nicht, so wichtig das Thema ist. Auftrag des Rundfunks nicht erfüllt, ja sträflich irgnoriert.
Denn es ist nicht ein übernatürliches Schicksal, dass diese Jungs in Griechenland so malerisch und rührend festsitzen: ist alles von Menschen gemacht. Davon ist in diesem Film wenig zu erfahren.

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