Der Alptraum von der Glühbirne oder das Scheitern der deutschen Gelehrsamkeit am Versuch, sich an selbstgebasteltem Humor zu amüsieren.
Ein selbstironisch intendierter Bericht aus dem innersten der deutschen Gelehrtenrepublik über das Unglücklichsein darin und darüber, dass sie weder über sich noch überhaupt lachen kann.
Die Gelehrsamkeit, André Willms als Curt Ledig, ist alt, geht an zwei Walking-Stöcken, kommt im Haushalt nicht zurecht, kann nicht mal eine Glühbirne reinschrauben, hat eine braune Vergangenheit und eine zumindest alibihafte Aufarbeitung derselben, wohnt in idyllischster Alpennähe an einer Bergstraße 10, es könnte auch im Schwarzwald ein Holzweg sein, und fühlt eine Affinität zum professionellen Verbrechen in der Denomination der Klein- und Mittelkriminalität; sie leidet darunter, dass sie vor allem Kopf ist (schönes Spiegelbild, wenn sie den Kleinganoven bis zum Kopf in der Erde vergräbt), sie fühlt sich zum Forschen berufen (immer alle Beobachtungen auf ein mobiles Aufnahmegerät diktieren – wobei sie eine verhängnisvolle Schlagseite in Richtung Wahrnehmung des Unwesentlichen hat) und sie leidet unter panischer Angst vor dem nächsten Referat, was sie halten soll, am liebsten an einer subalpinen Akademie, Tegernsee oder Tutzing, egal, Hauptsache Akademie und weitab vom Schuss.
Das Existenz-Wunsch-Gegenstück gegen so eine Gelehrsamkeit scheint der kleine Voralpenganove aus Linz zu sein (Georg Friedrich als Nick Gutlicht), der aus Gründen des Untertauchenmüssens zu einer merkwürdigen Kohabitation mit der alten Gelehrsamkeit in der ländlichen Luxusidylle gedrängt wird.
Immerhin gibt es hier jede Menge kostbarer Bücher, die der Hallodri in der Stadt in einem Antiquariat weit unter Preis losschlagen kann. Trotzdem oder gerade deswegen sucht die deutsche Gelehrsamkeit intuitiv den Ruch des Verbrechens und seine Nähe. Der österreichische Verbrechermützenträger hat enorme Schulden bei einer „Mutter“, die einen dubiosen Flohmarkt betreibt, aus welchem er alsbald mit einer sich von Szene zu Szene rasant vorwärts und rückwärts entwickelnden Schwellung ums Auge hinausgeschmissen wird; worauf sich die deutsche Gelehrsamkeit der Sache annehmen will, denn ihr rotes Kleinauto wurde nebenbei noch an Zahlung gegeben, was tatsächlich zu einem tätlichen Angriff mit dem Walkingstock auf die „Mutter“ und ihren Schreibtisch führt und nebst einem heruntergerissenen Telefon zwei zerbrochene Walkingstöcke zur Folge hat; die deutsche Gelehrsamkeit ist eine Lemure, die sich nach Leben sehnt, aber leider nicht genau weiß, was das Leben ist und sich dann darin verkeilt.
Das hat zur Folge Bilder, die an Becketts „Glückliche Tage“ oder „Warten auf Godot“ erinnern oder man könnte, je weiter der Film fortschreitet, auch an Achternbusch in die Sphäre deutscher Gelehrsamkeit erhoben denken.
Die Vorstellung von einem Prolo und des anderen Schlägertypen ist auch sehr einfach im Hirn der deutschen Gelehrsamkeit, ja, die ist sogar absolut durchschnittlich, auch die Verbrechermama. Da wird kein vorgegebenes Schema verlassen. Da ist die deutsche Gelehrsamkeit erstaunlich irdisch, klischeebefangen und wenig originell.
Beim Zahnarztbesuch wird der Sehnsucht nach Slapstick stattgegeben. Nick liegt da, ein Abdruckteil im Mund, auf dem nächsten Stuhl liegt der Dicke, der Schläger. Bis die sich entdecken, das wird mit fast wissenschaftlicher Akribie vorbereitet. Erst begründet der Doktor, warum er den Raum verlässt, dann die Assistentin, dann begründet es die Behandelnde beim Dicken. Dann sieht der Zuschauer die zwei Stühle in ziemlicher Entfernung. Und dann kommt es. Nach langer Zeit. Man hätte sich schier den Doktortitel erwerben können in der Zwischenzeit, bis der Dicke den Kopf hebt und den Österreicher entdeckt und sich auf ihn stürzen will, bis sich eine ganz einfache, körperlich-physische Verfolgungsjagd in Gang setzt. Solches will sich bei der deutschen Gelehrsamkeit eben seine Zeit nehmen.
Die deutsche Gelehrsamkeit hat auch, auch das wird in einer eigens entwickelten Frühstücksszene gezeigt, Mühe – wie die meisten anderen Mitbürger auch – verschweißte Plastiktüten aufzureißen mit Frühstückmüsli drin: bis es überall rumfliegt.
Witz der deutschen Gelehrsamkeit, der Antiquarin in den Mund gelegt: „Sie sind die … Promenadenmischung zwischen einer Kanal- und einer Leseratte“. Da haben die Doktorhüte einen Zwiefachen gehupft (Beweis für die Humorthese eingangs).
Benjamin Heisenberg, der mit Josef Lechner auch das Buch geschrieben hat, kann sich wunderbar amüsieren darüber, wie die deutsche Gelehrsamkeit mit den zwei Walkingstöcken durch die Gänge eines Hallenflohmarktes stakst und damit rhythmische Töne von sich gibt, die physikalisch so stark bei der Besetzung gar nicht drin liegen würden.
Erwähnenswert, die gelegentlich vor allem jazzhafte Untermalung, wenn nicht gerade bayerisch Volkstümliches auf der Wurzeralm läuft. Will sagen: die deutsche Gelehrsamkeit hat ein Verhältnis zu allem und jedem, kann das mindestens beschreiben, setzt alles bewusst, auch wenn die Pointe bewusst daneben gesetzt wird, das ist dann sozusagen die Doppelung der Nicht-Pointe.
Der dritte Film dieses Jahr, der bei einer Überlandfahrt auf Stau hinter einem Langsamgefährt als Spannungsantreiber setzt, hier ist es ein Heuwagen (dabei Psychogespräch, bei einem anderen waren es theologische Diskussionen). Vielleicht sind die jungen, deutschen Regisseure andauernd im Auto unterwegs und regen sich andauernd über Schnecken an der Spitze von Kolonnen auf Überlandstraßen auf.
Wer unter Komödie Billy Wilder und Konsorten versteht, der darf hier die Totgeburt der Komödie erleben.
Die Sprachlosigkeit dieser deutschen Gelehrsamkeit wird konterkariert durch den Buchtitel „ A Chance to talk“. Aber wie es zur Moderation kommt und der Moderator die braune Vergangenheit und deren Verarbeitung besprechen will, ergibt sich Unruhe im Saal, das reale Verbrechen hat sich dort eingefunden und eine Rangelei in Gang gesetzt.
Symbolismen: weiße Katze, Heißluftballons über dem Voralpengebiet.
Oder: Verknotetes aus der Gelehrtenrepublik. Die Gelehrtenrepublik versucht sich auf die ihr eigene Weise auf die Schippe zu nehmen, ein ziemlich abseitiges Unternehmen.
Anzug: die Farbe braun steht mir nicht.
„Das kann nicht das Ende sein“. Er ist noch nicht fertig mit der Unterscheidung, sich verleiten lassen haben vom Versuch zu verleiten.
Hier führt einer die Zwangsgebührenverwalter schalkhaft an der Nase herum; deshalb: Verzicht auf rote oder gelbe Karte des Zwangsgebührenzahlers.