Der letzte Mentsch

Ein gut gemeintes Konstrukt präsentiert uns hier Pierre-Henry Salfati, der mit Almut Getto auch das Drehbuch geschrieben hat, unterstützt vom WDR und dem Schweizer Fernsehen, gefördert von Film und Medienstiftung NRW, Deutscher FilmFörderFonds, FFA/CNC, Bundesamt für Kultur (CH), Züricher Filmstiftung und Fondation pour la Mémoire de la Shoah.

Ein Jude, Marcus Schwarz, der eigentlich Menachem Teitelbaum heißt, Mario Adorf, lebt in Köln und hat seit dem Trauma Theresienstadt, die KZ-Nummer hat er noch eintätowiert, sein Judentum verleugnet, verdrängt. Trotzdem spricht er, so gut Mario Adorf es kann, immer noch jiddisch. Das scheint mir ein Grundwiderspruch im Buch zu sein, der sich in der Figur manifestiert. Wenn einer schon sein Judentum abstreiten möchte, dann wird er garantiert nicht jiddisch sprechen, sonst würde er ja dauernd auf seine Herkunft angesprochen. Insofern ist dieses Drehbuch von Anfang an ein inkonsequentes Konstrukt. Was wollen uns die Filmemacher also damit erzählen? Einer will sein Judentum hartnäckig verleugnen, spricht aber stur jiddisch?

Marcus wünscht sich nun im Hinblick auf den Tod doch als Jude begraben zu werden; woher der Wunsch kommt, das kann uns das Buch allerdings auch nicht klar machen. Jedenfalls wendet er sich an die jüdische Gemeinde. Die verlangen erst Beweise dafür, dass er ein Jude so. So eine KZ-Nummer im Unterarm sei leider kein Beweis, bekommt er zu hören, erstens gab es auch andere Verfolgte und zweitens werden wir am Schluss des Filmes sehen, dass sich so eine Zahl spielend leicht eintätowieren lässt in einem modernen Tattoo-Studio.

Marcus soll nun am Ort seiner Herkunft in Ungarn nachforschen, ob er Beweise findet. Nächste Frage, wie kommt er nach Ungarn. Er findet junge Leute, die ihn für ein paar Hundert Euro gerne mitnehmen. Da fällt auf, über den beruflichen-wirtschaftlichen Hintergrund von Marcus erfahren wir nichts, außer dass er nie verheiratet war. Ein Manko im Buch.

Aber es geht, das wird der Fortgang zeigen, um das moralisch hochwertvolle Motiv, dass jetzt eine junge Frau, die voll einen auf negativ macht, sich bereit erklärt, ihn zu fahren. Diese Fahrt soll das Corpus des Filmes werden und aus der frechen Göre eine verständnisvolle junge Frau machen. Das wird ohne jede Psychologie oder glaubwürdige Szenen so inszeniert.

In Ungarn gibt es weitere Verwicklungen und Begegnungen. Schweinefleisch isst Marcus auch. Ferner taucht Hannelore Elsner auf wie aus einem anderen Film oder aus der psychiatrischen Anstalt entfleucht. Es ist hier so viel Unbedarftheit im Spiel, was die eingangs erwähnten Sender und Förderer hier ermöglicht hatten, weil das Bonusverhalten dem Thema gegenüber sie offenbar dem Buch gegenüber blind gemacht hat.

Einmal soll Marcus bei der Fahrt aus einem Buch mit jüdischen Witzen vorlesen. Das hätte Adorf wirklich besser vorbereiten können. Glaubhaft wäre die Figur eher geworden, wenn das ein Charakteristikum von ihr gewesen wäre, dass er ständig solche Witze erzählt. Wenn er schon das Jiddische nicht versteckt hat, warum nicht auch eine der bekanntesten Qualitäten davon?

Am schönsten sind die Landschaftsbilder aus Ungarn. Und was uns Pierre-Henry Salfati mit dem Film erzählen will, bleibt mir auch nach dem Versuch einer Rekapitulation schleierhaft. Dass Adorf andauernd vergisst, die Kippa aufzusetzen oder es zu spät tut, wie bei einem Holocaust-Memorial, macht die Figur nicht glaubwürdiger. Nicht im Sinne, dass er davon nichts mehr wissen will oder dass er eh keine Sozialisierung darin hatte, auch nicht, dass er es wieder für sich anerkennen will. Warum will er so eine Beerdigung? Nicht klar. Das Drehbuch kommt mir vor, wie ein unreifer Schulaufsatz. Das ist offenbar keiner der fördernden Institutionen aufgefallen und das macht es den Darstellern nicht leichter.

Filmschauen heißt hier Ablesen und Erraten, was der Drehbuch wohl gemeint hat.

Gelbe Karte des Zwangsgebührenzahlers.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert