Ali und Naser sind zwei sympathische, intelligente, sinnliche junge Männer und die Protagonisten in dem halbstündigen Dokumentarfilm von Tuna Kaptan und Felicitas Sonvilla. Jeder junge Mann mit ähnlichen Gaben wie Ali und Naser würde hierzulande studieren oder sich in einen Beruf hineinarbeiten, würde die Voraussetzungen für ein Berufsleben schaffen, um damit ein Familie zu gründen und ernähren zu können.
Aber Ali und Naser sind keine jungen Männer aus einem Land in Frieden und mit intakter Zivilgesellschaft. Sie sind Opfer der Politik, vieler Politiken um genauer zu sein. Der egomanischen Politik arabischer und palästinensischer Führer, der widerwärtigen Apartheid-Politik von Israel, die nach wie vor weitgehend die Unterstützung der Weltpolitik hat, sowie der Politik der Europäischen Union, also auch der von Frau Merkel, von Herrn Gabriel und Herrn Seehofer, denn Deutschland spielt eine gewichtige Rolle in Europa. Und somit auch bei Frontex. Das ist die Organisation, die die Grenzen zu Europa dicht machen will, zum Beispiel jene zwischen der Türkei und Griechenland.
Ali und Naser sind in Edirne in der Türkei in einer armseligen Grenzsituation gefangen, aus der sie kaum entrinnen können. Sie sind Gestrandete in den Randbezirken der Weltpolitik. Sie verdienen sich ab und an ein Geld als Schleuser, wenn sie für Schlepper arbeiten und syrischen Flüchtlingen beim Übertritt nach Griechenland helfen. Oft aber sind die beiden arm, wissen nicht, wie die Kosten für ihr einfaches Hotel bezahlen, teils haben sie gar kein Zimmer, was besonders im Winter bis zur Gesundheitsschädigung führen kann.
Naser ist auch im türkischen Knast gelandet, der frisch renoviert war, ein Paradies die Wäsche im Vergleich zum vergammelten Hotel. Dafür hat er auch Prügel bezogen. In Edirne basteln sie sich in ihrem Hotelzimmerchen aus PET Flaschen Wasserpfeifen. Aber sie können nicht mal Geld nach Hause schicken.
Dank der syrischen Krise sind zwar immer Flüchtlinge da, aber Ali und Naser verdienen nur, wenn der Grenzübertritt erfolgreich ist. Inzwischen haben sie kaum mehr Chancen gegen die Nachtsichtgeräte von Frontex, wo auch deutsche und belgische Polizisten tatkräftige Mithilfe leisten.
Ali und Naser geben in diesem eindringlichen, engagierten, exzellent gemachten Film der Migrationsthematik ein Gesicht. Sonst lesen wir ja nur von Zahlen, 10 Flüchtlinge ertrunken, 100 Flüchtlinge gekentert, wenige gerettet, Tausende zurückgeschickt. An Ali und Naser sollte jeder Politiker denken, wenn er wieder Beschlüsse zu Frontex oder zur Hühnerfleischsubvention für den Export nach Afrika unterstützt. Ali und Naser sind Opfer der Politik. Ein Film, der ein Muss ist für jeden verantwortlichen Politiker; damit er die Folgen von kurzsichtiger Politik kennen lernen kann.
Wie wenig auch hierzulande hochgelobte Künstler Ahnung von diesen Dingen haben, zeigt Frau Dörrie in ihrem Film Die Friseuse (12. Absatz), wie lächerlich sie die vietnamesischen Flüchtlinge und operettenhaft über die Grenze tippeln lässt, das spottet jeder Beschreibung. Hier kann die Professorin vom Studenten lernen.
Unsere Politiker zeigen gerne mit ihren saubern Fingern auf die bösen Schleuser und Schlepperbanden. Dabei machen diese sich, das zeigt dieser Film, nur politische Missstände nutzbar. Unsere kleinen Schlepper sind selbst Gestrandete, die gelernt haben, als Schleuser zu arbeiten. Selber sind sie arme Hunde. Wo wollen sie ein anständiges Leben führen? Wie wollen sie aus Edirne wegkommen ohne Geld? Der Film macht auch klar, wie viel menschliches Potential die Europäer aussperren, speziell die alternden Deutschen (und wer sorgt für sie im Alter, wenn nur noch riesige Geldhaufen aus Altersversorgung, aber keine Menschen für die Hilfe mehr da sind?).
Der Film ist ein Votum für eine weitsichtigere, menschlichere Asyl- und Einwanderungspolitik und hat eine ganz bittere Widmung: FÜR NASER.