Snowpiercer

Ein Comic kann eine grandiose Vorlage für ein Drehbuch sein. Und wenn dieses auf dem höchsten Level filmischer Kunst realisiert wird, so muss man nach den knapp über zwei Stunden Fahrt um die vereiste Erde erst mal tüchtig durchatmen.

Dies ist jedenfalls dem Südkoreaner Joon-ho Bong gelungen. Er hat mit Kelly Masterson auch das Drehbuch geschrieben nach einem Comic von Jacques Lob, Benjamin Legrand, Jean-Marc Rochette.

Comic-Zeichner sind meist hervorragende Beobachter und üben sich darin, die Dinge und Menschen auf Wesentliches zu reduzieren. Das kann atemberaubende Folgen haben. Denn ein Regisseur, der nach so einem bereits präzise formulierten Buch arbeitet und außerdem ein Feeling dafür hat, kann auf jeden unnötigen TV-Realismus verzichten, kann die Figuren und Szenen auf ihre Grundidee hin realisieren.

Hier ist es ein Zug, eine Art Arche Noah. Seit 17 Jahren ist er unterwegs rund um den Erdball, non stop, er ist autark, umfasst ein Bild der ganzen Menschheit. Er ist Hunderte von Metern lang. Es sind die Überlebenden der misslungenen Aktion gegen die Erderwärmung mit dem Mittel CW7, denn die Dosierung muss so stark gewesen sein, dass eine sofort eintretende Eiszeit die Folge war. Wer in den Zug flüchten könnte, der hat überlebt und befindet sich seither in rasender Dauerflucht.

Der Zug spiegelt die menschliche Gesellschaft, die auf elementare Grundstrukturen und Grundmachtverhältnisse reduziert wird. Im hinteren Teil, in der Holzklasse, vegetiert mehr denn dass sie lebt, die unterste Klasse, die Masse. Sie wird ernährt von einem synthetischen Mampf, jahrein, jahraus. Ihre Waggons haben keine Fenster. Immer wieder müssen sie zu Zählappellen vor Schwerbewaffneten antreten. Ab und an wird auch ein Kind geholt. Die werden vorher ausgemessen. Die Lösung, wofür die gebraucht werden, kommt dann gegen Ende des Filmes, nur eines von vielen erschütternden Bildern.

Die Menschen erhalten hin und wieder in ihre Nahrung geschmuggelt und in eine Art Patronenhülsen verpackt rote Zettel mit Hinweisen, wie sie sich vielleicht befreien könnten. Es gab im Verlauf der 17 Jahre einige spektakuläre Ausbruchsversuche, Versuche, von hinten ganz nach vorn im Zug durchzustoßen. Das ist schwieriger als aus einem Hochsicherheits-Gefängnis auszubrechen. Sicherheitsschleusen über Sicherheitsschleusen.

Bekannt ist in den hinteren Teilen, dass der Chef des Ganzen ein Dr. Wilford ist. Er ist die Heiligkeit. Seine Maschine, die seit 17 Jahren läuft, ist seine Erfindung. Er ist der absolute Herrscher des Zuges. An ihn ranzukommen von hinten im Zug ist ein Ding der schieren Unmöglichkeit. Noch dazu, da seine Sicherheitskräfte martialisch ausgerüstet sind, wie Sicherheits- und Polizeikräfte es heute zu sein pflegen.

Der Hauptteil des Filmes schildert nun einen massiven Ausbruch, lange vorbereitet, der unter enormem Personen- und Blutverlust und immer neuen Überraschungen und Hindernissen schließlich die Verbliebenen bis an die Spitze führt, wo der Film allerdings um unerwartete Wendungen nicht verlegen ist.

Eigentlich schade, zu verraten, wie es im weiteren Verlauf des Zuges aussieht, was für ein bestechend genaues Bild der Menschheit hier geschildert wird. Unter anderem mit grandiosen Auftritten von Tilda Swinton als einer Art Vermittlungsfigur zwischen Wilford und den Aufständischen. Oder mit welch drakonischen Strafen erwischte Aufständische gemaßregelt werden.

Ein Überlebenszug, in dem die Überlebenden selbst wiederum um ihr Überleben kämpfen, gegen eherne menschliche Machtgebilde und Schichtung, gegen vermeintliches Schicksal aufstehen; denn Dr. Wilford ist auch ein gnadenloser Schicksalsphilosoph. Aus seiner Sicht ein gute, vorbeugende Maßnahme gegen zu viele eigene Ideen der Menschen.

Wobei andererseits er peinlich darauf achten muss, die Balance im Zug zu wahren. Könnte das Denken von Staatslenkern sein, vielleicht sieht es im Kopf von Frau Dr. Merkel nicht viel anders aus. Der Gedanke ist nicht ganz auszuschließen.

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