Rezeptkino. Statt von einem Population Boom sollte von einem Doku Boom gesprochen werden. Der Dokumentarist nimmt sich ein globales Thema vor, hier Schlagwort Überbevölkerung, reist angenehm ein wenig in der Weltgeschichte rum, sucht sich nach unerfindlichen Kriterien wie für eine Bla-Bla-Talkshow einige Gesprächspartner aus (von der Hebamme über den Journalisten zum Bevölkerungswissenschaftler), lässt, um der Rostlaube noch ein Maskottchen aufzusetzen, sich selbst immer ablichten als Gesprächspartner und Interviewer oder in der Masse der Überbevölkerung mit Regenschirm mit Weltbanklogo und auffallend hellem Anzug und stets versuchend die Zeitung zu lesen: in New York, in Bangladesh, in Tokio, Mexiko, Mumbai. Und weil das nicht originell genug ist, stellt er gegen den Eindruck der Bilder die Behauptung auf: die Welt sei gar nicht überbevölkert (dieses Schreckgespenst würde immer nur aus politischen Gründen verbreitet werden durch die USA beispielsweise).
Oder er lässt sich abseits vom Menschenrummel in einem Ruderboot ablichten, wie er ein Interview versucht, von dem am Ende des Filmes nur noch in Erinnerung bleibt, dass er den Platz mit dem Interviewpartner am Ruder getauscht hat, ohne Schirm diesmal, wo bleibt die Konsequenz, dass das Boot zu kentern drohte, er aber am Schluss sich kaputt lachend im Boot liegt. So viel zur Überbevölkerung.
An solchen Figuren scheint die Welt weder Bedarf zu haben noch zu genesen. Dokumentartourismus statt Sozialtourismus. Tja, wir müssen nur alle an einem Strang ziehen, dann wird das schon werden. Egal, ob einer an einem egoistischen Dokustrang zieht, der ihn günstig durch die Welt bringt und ihn zum Star in den Slums und Armenvierteln der Welt oder beim Masai-Krieger in Kenia macht.
Und wenn wir nicht mehr weiter wissen und uns das Geld oder der Power zum Reisen ausgeht, dann können wir immer noch irgendwo im Archiv ein Interview mit John Lennon ausfindig machen. Das ist für so einen Blabla-Film garantiert dekorativ. Wir meinen es nur gut mit den Menschen, wie ein Provinzpfaffe, der Mensch ist ein soziales Wesen und möchte Liebe.
So wie Werner Boote, der Macher und eitle Protagonist dieses Filmes, sich gebärdet und aufschneidet und aufspielt, ist sein Wunsch gut verständlich. Ob dieser Film wenigstens seine von ihm postulierten Grundbedürfnisse eines Menschen deckt: Arbeit, Respekt, Vertrauen?
Moral: Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Für diese Erkenntnis muss der Herr Boote um die halbe Welt jetten und sich überall in den Massen ablichten lassen und den Schirm immer dabei haben, fast immer.