Banklady

Hier zaubert die Kamera von Ngo The Chau mit starker Handschrift dank schönem Licht auf die von Ingken Benesch sorgfältig ausgesuchten Kostüme und das ebenso sorgfältig vorbereitete Szenenbild von Brigit Kniep-Gentis und Gabriella Ausonio eine hypothetische 60er Jahre Atmosphäre, wie es sie wahrscheinlich nie gegeben hat, so dass die Schmerzen an diesem trivialen Film nur noch deutlicher zum Tragen kommen, die Frage, wieso musste dieser Film mit einem großen Aufgebot von Produzenten, Fernsehanstalten, Filmförderern überhaupt gemacht werden; was lässt mich so unbefriedigt aus dem Kino gehen?

Muss die Geschichte der ersten Bankräuberin der Bundespublik, diejenige von Gisela Werler, heute wirklich nacherzählt werden? Was ist daran so spannend, außer dass es eine aufgestylte Frau mit blonder Perücke und Sonnenbrille ist, die den Bankangestellten in noch schlecht gesicherten Bankräumen die Kohle mit vorgehaltener Pistole abpresste?

Im Abspann dieses Filmes von Christian Alvart, der ihn nach einem Drehbuch von Christoph Silber und Kai Hafemeister inszeniert hat, erscheint ein Foto des Originals, von Gisela Werle. Ein kleines Foto. Ein Passfoto. Aber dieser Blick, diese Entschiedenheit, diese Verschlossenheit, dieses Need, das ist bei der breitlippigen Nadesha Brennicke, die diese Rolle verkörpern soll, nicht eine Sekunde spürbar. Und das Drehbuch hilft ihr nicht, einen Konflikt durchschimmern zu lassen, der die Taten für sie nötig macht.

Stattdessen hat die Ausstattung viel zu tun. Viele Bilder in einer Druckerei, die gemusterte Farbtapeten herstellt: tolles Museum für die 60er und dass die Maschinen wirklich noch laufen. Immer wieder steht Frau Brennicke davor und tut so als ob sie tut. Ihr ganzes Need kommt sowieso von Außen, von der Ausstattung, sie schaut bunte Blätter wie die „Die Bunte“ an, Regenbogenpresse mit Bildern von Reichen, Adeligen und erfolgreichen Frauen und von Trauminseln wie Capri. Das möchte sie auch.

Aber sie ist nur eine einfache Fabrikarbeiterin. Die jedoch, auch das erzählt die Ausstattung, bildschön aber bescheiden mit ihren Eltern lebt. Das muss schon reichen als Need. Nie erfahren wir, wie viel sie verdient und wie viel so eine Reise nach Capri kosten würde.

Es müssen jetzt Charly Hübner und Andreas Schmidt als Kleinganoven ran, um die Lady zu aktivieren. Schmidt muss bei ihr im Zimmer landen und einen Koffer verstecken, später wird er mit Hübner auftauchen und den Koffer zurückfordern; auch ihre Raffiniertheit, dass sie den Koffer versteckt hat und sofort 10 Prozent will, egal was drin sei, sieht man ihr nicht an, traut man ihr nicht zu, wird ihr angehängt wie ein Stück Kleid, was nicht passt, scheint sie doch eher der versonnene, verträumte Typ zu sein. Vielleicht ein Besetzungsproblem – einmal mehr dürfte es keinen Wettbewerb um die Besetzung einer so wichtigen Rolle gegeben haben. Dass da zu wenig nachgedacht worden ist, wie so eine Schauspielerin sein müsste, die bei einem Drehbuch, was sich nicht für Konflikte interessiert oder sie allenfalls äußerlich, schaufensterpuppenhaft nachbebildert, es vom Typ her dann doch spannend machen könnte. Man sieht nur diese aufgeblasenen Lippen, bleibt daran hängen und fragt sich, wie jemand mit so auffälligem Merkmal im Gesicht Banküberfälle macht, ohne das abzudecken mit einem Mundschutz. Wie fahrlässig.

Die Polizei, die sich auf ihre Fährte setzt, bleibt auch in der Ausstattungsbrillanz hängen. So dauert es denn zwei Stunden, bis die Banklady endlich geschnappt wird, das darf verraten werden, denn woher sollte man sonst die Geschichte kennen. Die Dialoge haben Bildzeitungsniveau.

Eine Geschichte, die sich selbst im Geist der Zeit, aus dem sie erzählt wird, verliert. Was aber will sie uns sagen, außer dem netten Museum? Will sie die Geschichte benutzen, um darauf hinzuweisen, dass Frauen in unserem Lande immer noch deutlich weniger verdienen? Nö. Die Geschichte scheint sich selbst zu wundern, warum und dass sie überhaupt erzählt wird, es war einmal eine Bankräuberin. Die ist das geworden, weil sie nach Capri fahren wollte und teure Kleider tragen wollte, so wie sie es in der Bunten gelesen oder am Fernsehen gesehen hat. Holländische Traumhochzeit am Fernsehen als Katalysator zur Werdung einer Bankräuberin.

Kann mir einer sagen, wieso so ein irrelevantes, belangloses Kino vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, also mit Zwangsgebührengeldern mitfinanziert werden muss – dieser Vorgang kommt mir selbst vor wie ein Bankraub. Erhalten wir irgend einen relevanten, neuen Einblick in die Frühgeschichte der Bundesrepublik über die Ausstattung hinaus?

Schafft der Film Geschichtsbewusstsein? Ist er subversiv? Nein, nur banal, ein banales Kinostück, das sich werbemäßig laut aufführt. Und doch nur brav, brav, bieder, brav, reines Fernsehen und im Kino wird es sich keiner anschauen. Es fehlt dem Film jeglicher Andockpunkt für ein heutiges Kinopublikum.

Einen möglichen Hinweis auf das Need der Figur wird einmal verbal gegeben: „ich wäre gerne ein Mann wie Du“ sagt sie zum Bankräuber – also doch ein tieferer Grund? Kinoempirisch nicht nachvollziehbar eingeführt.

„Wenn du jetzt da reingehst, kommst du als eine andere wieder raus“. Das dürfte dem Zuschauer dieses Filmes nicht passieren.
Mit so oberflächlichen Filmen wird nie was aus dem Filmland.
Die 60er werden hier stilistisch ausgestellt, statt dass sie den beiläufigen Hintergrund für eine spannende Geschichte bilden.

Durch die Texte kommen die Figuren schablonenhaft rüber. Ein reduziertes Menschenbild, was hier entworfen wird, was aber auch gar nichts mit dem öffentlichen Rundfunkauftrag, mit Demokratiebewusstsein zu tun hat.

Entsprechend wenig Differenzierung beim Sprechen. Ganz laut fragt sie, „wann machen wir den nächsten Bruch“. Viel zu laut. Also unrealistisch gespielt dazu.

Der Film in Opas-Kinogeist der 60er mumifiziert.
Die Substanz des Filmes: nicht mal ein Salzkorn.
„Der größte Fehler ist, wenn man nicht weiß, wann man aufhören muss“. Aha: Logik: Bankräuberei an sich richtig, aber den Fehler, erwischt zu werden, darf man nicht machen.
Und dann das Zögern vorm ganz großen Überfall: „Willst du ohne Geld untertauchen, dann kannst dich gleich im Knast melden. Nach Capri geht’s da lang, Hermann.“

Die Bundesrepublik ist zur Zeit beschäftigt mit dem Fall Hoeness, der fasziniert, da scheint noch vieles im Dunkeln zu liegen; das dürfte einer dermaßen geheimnislos ausgeleuchteten und mumifizierten Banklady nicht gelingen.

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