Hannelore Elsner, der Neger und der tote Hund.
Pauschalkino á la Frau Dörrie inklusive karikierender Verwurstung des Pauschalbürgers; eine weitere Subventionssumpfblüte.
Nachgeschobenes Vorwort: Tobias Kniebe hat letzte Woche in der SZ (Feuilleton, Mittwoch, 26. Februar 2014) bei der Besprechung des großartigen Filmes „Philomena“ von Stephen Frears erstklassig nachvollziehbar dargelegt, wie die Macher aus einem Roman ein taugliches, spannendes Drehbuch hergestellt haben. Eine Arbeit, die bei dem vorliegenden Film von Frau Dörrie nach einem eigenen Roman offenbar nicht geleistet worden ist; trotzdem wurde der Murks allem Anschein nach vom Steuerzahler mittels Rundfunkzwangs- und Fördergeldern als eine vollwertige Arbeit bezahlt. Niemand moniert das.
Vielleicht ist Frau Dörrie Drehbuchprofessorin, weil sie Schwierigkeiten mit dem Drehbuchschreiben hat (deshalb ist im Abspann vermutlich noch eine Position mit Drehbuchbearbeitung aufgeführt); Defizite und Problembewusstsein in der Praxis mag zu Theoriekapazität führen.
Da Frau Dörrie Drehbuchprofessorin ist, glauben die Filmförderer und Fernsehredaktionen, sie könne auch wirklich Drehbücher schreiben, und lesen die Bücher gar nicht, sondern fördern sie blind. Immerhin ist bekannt, dass sie vom Leben ausgeht, dass sie gerne im Kaffeehaus sitzt oder mit den Studenten im Ferienclub und das quirlige Leben beobachtet und Einfälle notiert. Diesen fügt sie einige Hygiene- und Lebensweisheiten bei. Und fertig ist das Drehbuch, was leider noch lange kein Drehbuch ist. Aber für erfolgreiche Taschenbücher scheint es dicke zu reichen. Von Frau zu Frau. Von Hausfrau zu Hausfrau.
Allerdings ist es eines, das Leben zu beobachten und ein anderes, einen Film daraus zu machen, ein spannendes Drehbuch aus diesem Material zu generieren, aus dem eine Geschichte wird, die überspringt, daraus eine „story of human interest“ zu machen; was hier kaum der Fall sein dürfte – aber was ist es denn?
Da der Name Dörrie im tranigen Filmsubventionsland für Jobs und gut bezahlte Rollen bürgt, so hat sie die Auswahl an Namen guter Subventionsschauspieler, da machen alle mit und machen alles mit, denn die Kohle stimmt. Und müssen es dann gezwungenermaßen auch noch gut finden. Das ist bereits die halbe Miete.
Hinzu kommt, durchaus stilvoll, Frau Dörries Geschmack für Mode, Stil und Pep in Sachen Ausstattung und Klamotten, da darf immer mal was Schräges dabei sein. Das ist das nächste Viertel der Miete. Das hat sich allerdings etwas gelegt, ist müder, ruhiger geworden, auch Frau Dörrie wird älter, aber irgendwie scheint sich ihre Filmkunst nicht weiter zu entwickeln, scheint das professionelle Entwickeln einer Story, eines Drehbuches, das mehr ist als nur Episoden-Szenen-Schnitzerei mit halb karikierten Menschen, nicht gelernt zu haben.
Außerdem haben solche viel beschäftigten Promis kaum Zeit zum ernsthaften Entwickeln und Schreiben eines richtig professionellen Drehbuchs. Man muss ja noch Opern inszenieren, Bücher schreiben, Vorlesungen halten, Interviews geben.
Das letzte Viertel für die Miete, das sind Ergüsse, wie sie bei Hausfrauen beim gemeinsamen Sticken (auch Gesticktes kommt vor, unters Kopfkissen damit!) oder beim Kochen oder Kleiderflicken passieren, Hausfrauenweisheiten über das Leben und die Liebe; so wie sie in bunten Blättern der verständnisvolle Brief- oder Kummerkastenonkel zu erörtern pflegen. Lebenshilfeansätze („wenn das Leben ein Seil ist, so ist bei mir ein Knoten“).
Die Geschichte, die Frau Dörrie hier zu erzählen versucht, ist nicht leicht zu rekapitulieren, aus mehreren Gründen. Zum einen, weil sie die Story von hinten her aufdröselt, dann aber auch wegen der Protagonistin Hannelore Elsner, die in jeder Szene in ihrem Untertext hinausschreit, schaut her, was für eine tolle Schauspielerin ich bin, wie ich mit meinen vielen, vielen Jahren noch toll aussehe, wie ich wie aus der Pistole geschossen in jeder Situation ein Lächeln herbeizaubere und das mit der Hüfte ist natürlich überhaupt nicht wahr, drum hinke ich mit meinem Stock so schlecht, dass keiner auf die Idee kommt, an mir sei irgend ein Makel. Das ist ein dermaßen hysterisches Tremolo, was jeden Ansatz von Handlung glatt übertönt.
Dann die ganzen Szenen mit dem Bootsflüchtling. Der Film spielt großenteils im Hotel Royal Costa in Torremolinos in Spanien. Dem muss ein intellektuell gemeinter, subventionierter, deutscher Film selbstverständlich ein Bootsflüchtlingsschicksal als Fußnote beifügen, auch wenn es mir absurd scheint, dass ein Flüchtlingsboot so weit in den Norden gelangt. Auch diese Szenen bleiben in Erinnerung lediglich insofern, als Frau Elsner im Untertext ganz laut herausschreit, schaut her, ich spiel mit einem Neger; das fällt umso mehr auf, als die Inszenierungskunst der Regisseurin nichts dagegen aufzubieten hat. Kommt hinzu, dass der fettleibige Klischee-Deutsche, dargestellt von Axel Prahl, gegen diesen knalligen Untertext anspielen soll, das noch mit Sexszenen mit Frau Elsner, die auf Biegen und Brechen krampfig erfunden wirken. Herr Prahl scheint die Gage mitgenommen zu haben und war nicht weiter glücklich dabei.
Weil Frau Dörrie nichts zu erzählen hat, sondern bloß wieder einen Film machen will, soll diese Leere mit Blickfängen und Originalität zwangsweise gefüllt werden. Zum Beispiel mehrmals um einen Verkehrskreisel fahren, damit die Kamera die Skulptur in der Mitte auch richtig umrunden kann. Und weil es sich so leicht erhebt über den Durchschnittsbürger und Klischeedeutschen, so ergibt sich keine Fallhöhe, die schmerzen könnte.
Zur Geschichte. Frau Elsner ist von ihrer Tochter statt zur Reha zum billigeren Pauschalurlaub nach Spanien verschickt worden. Dort lässt sie sich die Füße von einem Transvestiten pflegen. So einer gehört auch in einen modisch-schicken, pseudointellektuellen Film. Immer auch laufen Szenen zwischen einem Jungen und einem Mädchen ab, die nicht so richtig einzuordnen sind. Derweil bandelt in München die gestörte Tochter, die nur Pech mit den Männern hat, mit dem Veterinär an. Den lernt sie kennen, weil ihr Hund, Dr. Freud, der auch ihr Psychiater sei, ein künstliches Hüftgelenk braucht. Genau so wie ihre Mutter. Das gibt Anlass für einige der häufig eingestreuten Kicherwitzchen, die das vermutlich angepeilte, ältere, weibliche Fanpublikum von Frau Dörrie ergötzen dürften. Ganz am Schluss wird ein weiterer Zusammenhang zwischen Frau Elsner, ihrer Tochter und dem Transvestiten hergestellt, der aber längst nicht mehr interessiert. Dafür gibt es jede Menge Enden mit untergehender Sonne, die das Gefühl vermitteln, man habe zwangsweise einen viertägigen Pauschalurlaub verbracht, dabei war es nur das müde gewordene Pauschalkino von Frau Prof. Doris Dörrie.
Ein Beziehungshygienefilm für Karikaturmenschen. Mit Weisheiten über Hunde: er genießt es beim Arzt zu sein, er liebt die Aufmerksamkeit.
Die ersten bunt zusammengeschnittenen Strandszenen inklusive flottem Pimmel und voller Busen sollen wohl an die Frische der früheren Langnese-Kinowerbung anknüpfen, like ice in the sunshine.
Sollte das Ziel von Frau Dörrie das gewesen sein, was sie hier in einer Radiosendung verbreiten lässt als Lob der Kunst, nämlich die Darstellung „der realen Langeweile“, so muss man ihr attestieren, dass sie ihr Ziel erreicht hat.
Tierarztwitz: Sie sehen hungrig aus, haben Sie nichts gegessen? Doch, eine Dose Katzenfutter.
Und dann wieder Kleinmädchenerfindungs-, bemühtes Szenenbastelkino: im Frühstücksraum bastelt Elsner und Konsorten aus einer Toastbrotscheibe eine Maske, die vors Gesicht gehalten wird und der Tierarzt in München behauptet, Tierärzte gehören zur Familie der Papageien. Dann schnäbeln er und sie mit roten Papierservietten. So Dinge soll Frau Dörrie gerne machen, aber doch nicht auf der großen Leinwand und mit viel Steuer- und Zwangsgebührengeld, vielleicht in der Bastelstunde in der Pfarrei oder in einer Therapiestunde, aber doch bittschön nicht auf Kosten der Steuerzahler mit hochbezahlten Darstellern, die den Kleinmädchenkram auch noch mitmachen.
Dieses Kino kommt mir vor, wie von einem fleißigen, kleinen Mädchen, das überall schöne, ungewöhnliche Dinge gefunden hat und sie nun, wie wir es früher gemacht hatten mit Bildern aus Zeitschriften, sie ausgeschnitten und kunterbunt chaotisch in ein leeres Heft eingeklebt haben. Das ist ja nett und lustig. Aber doch weit zurück hinterm Ziel von Kino als einem relevanten und anregenden Kulturprodukt. Für die bunte Frauenzeitschrift mag es angehen und dafür erweckt es auch den Anschein von intellektuellem Input, diese würde es zieren, nicht aber ein Kino, was diskussionswürdig ist.
In so einem Zusammenhang Hilde Domin zu exploiten, das grenzt schon an billige Kulturfilzerei, sich das Deckmäntelchen der Seriosität und des kulturellen Niveaus selbst umhängen.
Was spricht – und noch dazu inkonsequent – Frau Elsner eigentlich für einem merkwürdigen Undialekt-Dialekt?
Ein Kessel Buntes von Frau Dörrie. Bitte in der Wäscherei anliefern, doch nicht im Kino.