Lars von Triers katholisches Traktätchen zum nie definitiv lösbaren Thema unstillbaren weiblichen Hungers nach Lust, teils aufgebläht, teils festgezurrt im engen Korsett unspezifischer Alltagsbanalitäten und im überlappenden, pseudowissenschaftlichen Vergleich mit Erörterungen zum Fliegenfischen und Bachs Polyphonie eines Orgelstückes; gespickt mit einigen expliziten Sexszenen, vermutlich aus der Angst heraus, dass sich sonst niemand für diese wenig inspirierenden, lehrhaften Behauptungen interessieren würde.
Lebenshilfeeffekt: kann dem einen oder anderen Mann vielleicht helfen, die Anbandelsprache von Frauen besser zu lesen oder der einen oder anderen Frau, sich besser als Köder anzubieten.
Aufgebläht fängt es schon an mit wichtigem Schwarzbild und dazu bedeutungsvoll einige Geräusche von Verkehrslärm, Wasser, das tropft und ein nicht weiter definierbares Motorengeräusch, vielleicht von einem Lüftungsschachtpropeller.
Wie das Licht einsetzt, finden wir uns in einer verlassenen Industrie- oder Hinterhofräumlichkeit, kellerhaft, die Kamera findet nach einigen Tropf- und Mauerdetails die Protagonistin am Boden liegend, elend, sie muss Schlimmes hinter sich haben. Ein wohltätiger Mann, dem wir schon beim Verlassen seiner Wohnung und beim Brötchenkauf zuschauen, der findet sie. Warum er sich zielstrebig in dieses verlassene Gemäuer begibt, ist unklar. Er nimmt die Frau mit nach Hause. Das Gespräch zwischen den beiden ist die vieles erklärende Rahmenhandlung, der Rahmen für die Erzählung ihres Lebens als Frau und ihres Umganges mit dem sexuellen Verlangen, was bei ihr schon mit zwei Jahren eingesetzt hat. Zur Beruhigung für Moralisten: keine Kinderpornographie, auch wenn das Mädel mit ihrer Freundin den Frosch spielt (dazu großes Orchester) oder erzählt, wie sie gerne und lange am Kletterseil hing, wegen dem „Gefühl“; Lars von Trier zeigt nur das Seil; den Rest muss der Zuschauer im Kopf erledigen.
Um den Eindruck von Wissenschaftlichkeit zu verstärken hat Lars von Trier den Film in Kapitel eingeteilt.
Als dekoratives Element und als Beleg für Bedeutungshaftigkeit und für sein Faible für Zahlenmystik werden ab und an Zahlen aufs Bild projiziert. Bei der Entjungferungsszene steht eine „3“ für die drei Stöße von vorne und „+5“ für die fünf Stöße von hinten. Oder eine Strichliste wir geführt bei der Bahnfahrt mit ihrer Freundin, bei der sie als sexy Blickfänge angezogen sind und einen Wettbewerb veranstalten, welche mehr Männer zum Geschlechtsverkehr während der Bahnfahrt rumkriegt.
Es gibt noch die Angelegenheit mit Jeróme und auch eine Story mit einem Familienvater, den sie zur Scheidung überredet, worauf die Exfrau mit den drei Buben eine ziemlich bizarre Konfrontations-Szene veranstaltet.
Jedenfalls sieht die junge Variante von Joe, so ist der Name der Protagonistin, an sich recht hübsch aus, filmnymphenhaft, während sie in der alten Variante nach ihrem nicht zu beherrschenden Sexleben in der Rahmenhandlung arg zugerichtet dargestellt wird. Zudem fühlt sie sich schuldbewusst und als schlechter Menschen. Diese Gefühle werden noch unterstrichen durch Inszenierung und Maske. Wer so ein Leben führt, wer keine Sexchance auslässt, dem ergeht es schlecht.
Wobei ein Vorbehalt anzubringen wäre: dies ist lediglich Teil 1 des Filmes, der hier in der kürzeren Fassung und unabhängig von Teil 2 gezeigt wurde, also als eigenständiger Film zu betrachten ist.
Gelegentlich schneidet der Regisseur einige schöne Park- und Naturaufnahmen dazwischen; ohne Romantik keine Sünde? Aber Frauen kommen trotzdem nicht zurecht mit ihrem Sexleben und es macht sie kaputt. Diese These wird mit einer drögen Bildwelt untermauert. Und logo, ohne die ständige Verführbarkeit der Männer könnte das Game nicht funktionieren. Ein paar altbackene Thesen zum unerschöpflichen Thema des nicht stillbaren Hungers nach Sex am Beispiel einer Frau. Das alte Nuttenthema kunsthandwerklich, volkshochschullehrhaft verpackt, vielleicht fürs Jesuitenkolleg und mit einigen abendländischen Kultureinsprengseln als wirksamen Ködern für den bildungsbewussten Rezensenten verbrämt: Bach (die Polyphonie), Edgar Allan Poe (als Cover für das Delirium Tremens des Vaters der Protagonistin) und auch das Judentum kriegt seine kleine Nummer oder Weisheiten, was mit Menschen sei, die als erstes an ihrer linken Hand die Nägel schneiden, damit dem filmischen Aufwand das Etikett von Sinnigkeit verleihend. Das ewige Problem der katholischen Lehre mit der Sünde.