Hannas Reise

Das Thema dieses Filmes ist brisant: die Generation Praktikum, die es schwer hat, in den Beruf zu kommen. Julia von Heinz hat Regie geführt und mit John Quester das Buch geschrieben frei nach Motiven des Romans „Das war der gute Teil des Tages“ von Theresa Bäuerlein.

Hier geht es nicht ums Praktikum, sondern darum dass eine BWL-Studentin ihre Chancen, ins Assessement-Center der Firma BCA (wenn ich das akkustisch richtig verstanden habe) aufgenommen zu werden, deutlich erhöhen kann bei Vorlage eines Beleges für ein soziales Engagement. Zynisch wird die Angelegenheit dadurch, dass sich die Chancen nochmal deutlich erhöhen, wenn dieses in Israel stattfindet noch dazu in einer Behinderteneinrichtung.

Die Mutter von Hanna wird gespielt von einer richtigen Marke von Schauspielerin, von Suzanne von Borsody. Sie leitet die „Aktion Friedensdienste“ für Israel und kann ihrer Tochter von einem Tag auf den anderen einen solchen Aufenthalt organisieren, damit sie in den Besitz des nötigen Wisches gelangt.

So weit die Prämisse dieses Themenfilmes (insofern täuscht der Titel halbwegs). Den Rest kann man sich denken. Wenn jemand ohne besondere Motivation, bloss weil er/sie ein paar Sporen für die Karriere verdienen kann, etwas tut, wofür er/sie sich überhaupt nicht interessiert und keinen Bezug dazu hat; dann wird er/sie dort eine unerwartete Erfahrung machen und sein/ihr Bild von der Welt oder sein/ihr Verhalten in der Welt wird sich verändern.

Hier ist es also die Hauptdarstellerin Hanna, Karoline Schuch, die dieses Praktikum ohne explizite Begeisterung absolvieren wird. Sie scheint den gleichen Frisör zu haben wir ihre Mutter. Hanna ist dabei, mit ihrem Langweiler von Freund die Zukunft zu planen, eine gemeinsame Dachwohnung in Berlin anzumieten. Zu dieser Personenkonstellation stößt nun in Israel, damit Dynamik ins Spiel kommt, Itay, ein Mitarbeiter der Behinderteneinrichtung. Ihn spielt leinwandgewinnend Doron Amit. So weit so erwartbar, so weit so klar, die Voraussetzungen für vorhersehbare Entwicklungen sind bereitgestellt. Und nichts dagegen, im mitteleuropäischen Winter einige Landschafts und Meeresimpressionen aus dem Vorderen Orient geliefert zu bekommen.

Das Problem von Julia von Heinz als Autorin/Regisseurin scheint mit allerdings zu sein, dass sie zwar eine Plotprämisse aufgestellt hat, welche jedoch insofern theoretisch bleibt, als es für die Hauptfigur keine Figurprämisse gibt. Wir erfahren vor ihrem Flug nach Israel nur skizzenhaft die nötigsten biographischen Angaben, aber nichts über ihren Charakter, nichts, was den Aufenthalt im fremden Lande spannend machen könnte, nichts was zu einem dramaturgisch klug einzusetzenden Konflikt führen könnte; denn eigentlich macht sie die Reise weder mit einer besonderen Motivation noch mit einem besonderen Widerstand; selbst die Begegnung mit Itay bleibt skizzenhaft und das Verhältnis zu ihrem deutschen Freund nicht weniger, es wirkt wie eine Gewohnheit, wie ein Lebensumstand. Es wurde nichts berichtet, was durch einen Fremdeinfluss, speziell durch einen fremden Mann gefährdet werden könnte. Nichts, was ihr die Beziehung zu ihrem stromlinienförmigen 0815 deutschen Freund wertvoll gestaltet hätte. Und auch nichts, was ihr den Zugang ins Berufsleben wichtig erscheinen ließe. Insofern hängt eben nur theoretisch etwas an dieser humanitären Aktion. Das ist so ein klitzekleiner, dramaturgischer GAU, der hier vorliegt, und der sich an der Kinokasse nicht in begeisternden Zahlen auswirken dürfte – aber die Entschuldigung, dass das Thema nicht ziehe, die zählt leider nicht.

Andererseits hat Julia von Heinz schon bei „Hanni und Nanni 2“ ihre unkompliziert lebenspraktische Schreibe bewiesen; wie wäre es gewesen, wenn die beiden Schwestern diesen Aufenthalt gemacht hätten?

Dass der Grundgehalt zynisch ist, ist für die zahnlose Inszenierung von Julia von Heinz auch nicht weiter hilfreich. Der deutsche Zucast, für den die Castingpreisträgerin Daniel Tolkien verantwortlich zeichnet, glänzt vor allem durch Bravheit, als rufe er im Untertext des Spiels laut aus, wir machen das ganz gut, wir sind Einserschüler; dabei dürfte die Casterin nicht auf dem Radar gehabt haben, dass in Israel Schauspieler die Herausforderung, Behinderte zu spielen hatten und dass also der deutsche Zucast diesen Darsteller-Schmankerln etwas entgegensetzen müsste, um die erzählerische Balance zu halten. Da er das nicht tut, sackt der deutsche Zucast sang und klanglos in sich zusammen, wie ein Kuchen ohne Backpulver.

Falls dieser Film ein Abbild der heutigen, deutschen Jugend sein will, die ins Berufsleben drängt oder darin die ersten Schritte tut, so sind die erstaunlich verklemmt. Wie der deutsche Freund Hanna in Tel Aviv besucht, nimmt er ein Hotelzimmer hoch oben mit Blick aufs Meer. Er liegt unter der Bettdecke mit nacktem Oberkörper. Sie posiert im neuen, einteiligen Badeanzug, schwarz und so unsexy wie möglich. Und jetzt soll sie zu ihm ins Bett. Sie zieht weder den Anzug aus noch lüftet er die Bettdecke. Oder war die Klimaanlage zu kalt? Auf jeden Fall sind hier Regieunentschiedenheiten zu sehen oder denkt die heutige Jugend gar nicht mehr an Sex – oder daran, sich vorher vielleicht auch auszuziehen?
Hanna ist nicht als karrieristisch charakterisiert worden. Wo kein Ziel, da kein Konflikt.

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