Alles ist hier wie im richtigen Film: die Bilder, die pseudodokumentarische Wackelkamera, die Musik, die Maske, die Kostüme, die Ausstattung, die Beleuchtung, der Schnitt, die Darsteller und ihre Inszenierung von dramatisch bis dramatisiert, Atmosphärisches, alles brauchbar, professionell. Nur einen Punkt, den ganz großen Schwachpunkt, haben wir bei der Aufzählung der Qualitäten dieses Filmes von Daria Onyshchenko noch nicht erwähnt: das Buch, das Buch, das Buch, das die Regisseurin mit Miroslaw Mandic geschrieben hat und zwar dessen Substanz, dessen Essenz, will heißen, deren Abwesenheit.
Und trotzdem hat Hubert von Spreti, der den Bürgern und Steuerzahlern gleich doppelt auf der Tasche liegt, als BR-Redakteur dem Zwangsgebührenentrichter und als Professor der HFF München dem Steuerzahler diesen Film protegiert und es kommt nichts dabei herum außer so einem nichtssagendem Film, den der BR tief vor seinen Zuschauern in der Nacht versteckt, auf dass er das Debakel nicht bemerke, auf dass möglichst wenige Zuschauer darauf aufmerksam werden und womöglich sich beschweren, was mit ihrem Gebühren- und Steuergeld hier angestellt werde, nämlich nichts weiter, außer der schön verpackten Verbreitung der überraschenden Weisheit, dass wenn ein Mann und eine Frau zusammenkommen, sie unweigerlich dazu neigen, anzubandeln, dass ein körperliches Zusammengehen in der Luft liege, egal, was die Hintergründe, die kulturellen und sozialen sein mögen, das ist doch die große Erkenntnis dieses Filmes, die im Titel angedeutet wird: einfach leben (und vermutlich über nichts nachdenken). Wenn wir also nicht brav unsere Steuern und Zwangsgebührengelder entrichtet hätten, hätten wir das womöglich nie erfahren. Ähnlich inhaltsarm und nett war schon „Your drive me crazy“ ebenfalls von Hubert von Spreti gepusht.
Das Milieu, in welchem uns diese Anbandelungserkenntnis präsentiert wird, ist Emigranten-Immigranten-Milieu: Immigranten in München, Emigranten aus Serbien und der Ukraine. Der dadurch bedingte Sprachensalat ist reizvoll.
Was wollen uns Miroslaw Mandic und Daria Onyshchenko mit ihrem Buch aber erzählen? Es scheint, sie wollen erzählen, dass wenn ein Mann und eine Frau zusammen in einer Szene sind, dass ihnen nichts anderes einfällt als entweder Dinge aus ihrer Vergangenheit zu erzählen und damit für die Zuschauer auf dem Erklärwege Drehbuchdefizite zu kompensieren oder aber vor allem, wenn Mann und Frau zu zweit vor einer Kamera sind, so müssen sie zwanghaft anbandeln, allenfalls noch singen, lieber aber ficken.
Diese Weisheit wird natürlich weder spannender noch weiser, wenn sie in den genannten Milieus platziert wird. Wobei allfällige weitere Messages aus diesem Film insofern schwierig zu dechiffrieren sind (es fehlt auch an jeglichem Anreiz, dies zu versuchen), als vom Bild her sowohl München als auch Kiew als auch Belgrad kaum zu unterscheiden sind, die Filmemacher voraussetzen, dass der Zuschauer auf Anhieb sofort Locations als auch handelnde Personen ihren Zusammenhängen zuordnen kann; auch die Namen sind zumindest für einen genuin Deutschsprachigen nicht leicht auseinanderzuhalten: Bogdan, Zhora, Zoran, Vladan und welche war nun Ruslana, Aida, Maria?
Nervöse Atmosphären mit schönen Impressionen von künstlerischem Flair herstellen, ist zwar eine wichtige Zutat, gar Voraussetzung zum Erzählen einer Geschichte; es kann dieses aber keinesfalls ersetzen.