12 Years a Slave

Wenn Filmschauen im Kino sich dem Hochgenuss nähert, den die Lektüre eine guten Buches bereiten kann, dann gelangt es in die Region des „großen“ Kinos. Genau dahin wollte Steve McQueen, der Regisseur, der das Drehbuch nach dem Roman von Solomon Northup selbst geschrieben hat. Und genau dahin hat er den Film in der Art epischen Erzählkinos auch gebracht.

Für den Zuschauer ist dabei nachvollziehbar, wie das Storyboard genau gearbeitet ist, genau austariert, jede Szene erzählt eine wichtige Sache, die Spannung bleibt erhalten, wie reagiert die Figur, welche Angst hat jene Figur. Das Storyboard ist so gebaut, dass es den Geist des Zuschauers fesselt, dass er aber auch genügend Auslauf zum kurzfristigen, ersten Verarbeiten der Geschichte erhält. Und dass er nach Verlassen des Kino vermutlich den ganzen Film ziemlich genau nacherzählen könnte, ein nicht unwichtiges Kriterium beim Einschätzen eines Filmes.

Die Schauspieler sind nicht nur erstklassig ausgewählt, sondern von Steve McQueen ebenso geführt, immer zwar Schauspieler um der gewissen Distanz willen, aber minutiös in der Figurgestaltung, in der Dosierung von Stimme und Emotion.

Der Roman von Solomon Northup ist 1853 erschienen. Er ist autobiographisch. Darum heißt es in den Titeln auch „nach einer wahren Begebenheit“. Es ist die unglaubliche Geschichte eines freien Schwarzen in den Vereinigten Staaten, der in Saratoga im Staate Washington als Musiker bürgerlich etabliert und geschätzt ist, der verheiratet ist mit Margaret und die beiden Kinder Anne und Alonzo hat und wider Willen in der Sklaverei landet.

Northop bekommt ein verlockendes Angebot für einen Gig in Washington. Bei zwei Trickspielern soll er in einem Zirkus Musik machen. Seine Familie vertröstet er mit einer zweiwöchigen Abwesenheit. Daraus sollen 12 Jahre werden. In Washington machen ihn die beiden halbseidenen Trickkünstler betrunken. Anderntags findet er sich in Ketten in einem leeren Raum wieder. Er wird mit anderen, ebenfalls gekidnappten Schwarzen in den Süden transportiert. Er ist in die Hände eines Sklavenhändlers geraten. Er wird jetzt 12 Leidensjahre als Sklave unter verschiedenen Herren verbringen. Er heißt jetzt Pat und darf keine Vergangenheit haben. Allerdings wissen die Herren, dass er Geige spielen kann. Aber er soll nicht zu erkennen geben, dass er lesen kann, dass er ein anderes Leben gehabt hat. Sklaven sind wie Tiere – so die pauschale Ansicht der Halter. Wobei es hier durchaus Differenzierungen gibt. Aber was nützt einem Sklaven ein guter Herr, wenn der ein schlechter Geschäftsmann ist und auf einen Sklaven einen Wechsel ausstellt, wodurch der Sklave zu einem brutalen Herren kommt, hier Michael Fassbender als negativer Held Edwin Epps. Nach vielen schwierigen Situationen taucht bei diesem der wandernde Zimmermann Bass, Brad Pitt auf, und über diesen kann Patt endlich seine Befreiung in Gang setzen. Er wird zwar frei kommen, aber Gerechtigkeit wird ihm nicht widerfahren. Dafür schreibt er ein Buch, das zur Grundlage dieses Filmes wurde. Er sei nachher als Aktivist für die Gleichstellung im ganzen Lande unterwegs gewesen.

Zu Beginn schockiert vor allem der Fakt, wie ein Mensch aus einer vermeintlich sicheren Situation herausgerissen wird, wie er alle Sicherheiten, selbst seine Identität verliert und ohne jede Hoffnung anderen Menschen, herrischen Menschen, die ihn nicht als Individuum anerkennen, ausgeliefert ist. Das Thema ist nicht aus der Welt: die Illegal Renditions, die die doch so auf Demokratie und Gleichberechtigung programmierten USA nach wie vor ausüben. Das war im deutschen Film „5 Jahre Leben“ zu sehen.

Da die Schauspieler gut spielen und grandios in Szene gesetzt werden, kann der Film auch getrost als großes Filmstartheater gekennzeichnet werden. Denn die Stars haben genügend Demut, hinter den Rollen zurückzutreten. Themen: Erniedrigung, Fleischbeschau, Ausbeutung, Misshandlung, Erhängung, Menschlichkeit unter misslichen Bedingungen, Versuche zur Flucht, zur Befreiung, einen Brief zu schreiben, sich gegenseitig die Wunden von den Peitschenhieben reinigen, für die Herrschaften tanzen.

Vom Bild her, die grandiose Kulisse der Südstaaten. Die szenisch-epische Schilderung des Sklavenseins von Patt in den Südstaaten nimmt den breiten Raum des Filmes ein; man gewöhnt sich so ein, man wohnt sich so ein, dass es einem fast leid tut, dass er sich aus diesem „heimeligen“ Bereich trennt.
Das Englisch ist der theatralen Regie gemäß außerordentlich gut verständlich.

Der Darsteller des Solomon Northup alias Sklave Patt, Chiwetel Ejiofor, ein erstklassiger, schwerer Heldendarsteller mit allen Starqualitäten im besten Sinne, der einen Film problemlos tragen kann und in jedem Moment glaubwürdig ist.

Steve McQueen, der Regisseur, versteht es sogar, den Hans Zimmer musikalisch auf fast homöopathische Dosis, bis auf ein paar sich wiederholende Ausrutscher, zu reduzieren.

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