Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

Eine wunderschöne, großartig von Stuart Dryburgh fotografierte – könnte aus dem Life-Magazin stammen– naiv-akademische Träumerei von Ben Stiller, die vom kleinen, leicht unsicheren Angestellten Walter Mitty erzählt, der bei der Zeitschrift LIFE die Fotonegative verwaltet, der hinter die Wand schauen kann, der gelegentlich durch geistige Absenzen auffällt und der in diesem Film, zu dem Steve Conrad und James Thurber das Buch geschrieben und Ben Stiller auch die Regie geführt hat, einem Fotonegativ hinterher ist, beinah rund um die Welt, dem Foto nämlich, das die letzte Printausgabe von LIFE auf der Titelseite krönen sollte (großer, kulturgeschichtlicher Zusammenhang, das Ende der Printmedien). Ausgerechnet dieses Negativ ist ihm abhanden gekommen. Es stammt vom berühmten Fotografen Sean O’Connell (Sean Penn). Dem reist Walter Mitty hinterher. Ein Roadmovie „Auf der Suche nach dem verlorenen Foto“.

Grönland, Island, Afghanistan sind die fotografisch ergiebigen Stationen. Umgeben ist Stiller von einem handverlesenen Cast. Shirley MacLaine spielt seine Mutter, Kristen Wiig die Kollegin Cheryl, mit der er einigermaßen ungeschickt auch anzubandeln versucht. Überhaupt lernen wir ihn als liebenswerten Charakter kennen, der keine Story aus sich macht, einen, der absolut zuverlässig ist und den es eine Megaüberwindung kostet, im Internet bei einer hübschen Frau allein schon ein „like“ zu setzen. Ein skrupulöser Charakter.

In den Film spielen aktuelle Ereignisse insofern hinein, als das Thema Presse/Print/Internet eine Rolle spielt. Smarte Manager, allen voran Adam Scott auf dickbärtig gestylt, wollen den Laden umkrempeln; haben nur zynische Töne drauf und sind mit einer Figur wie Walter Mitty restlos überfordert, weil so etwas in ihrem managablen Weltbild nicht vorgesehen ist. Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull scheint Ben Stiller zu beschäftigen, jedenfalls lässt er seine Figur in den Ausbruch hineingeraten (ist ihm vermutlich selber passiert). Dieser Vulkan hat in das Leben vieler Flugreisender im Jahre 2010 hineingewirkt, selbst die deutsche Bundeskanzlerin könnte ein Lied davon singen, auch wenn es bei ihr nicht ganz so abenteuerlich zugegangen ist wie bei Walter Mitty. Und Afghanistan ist auch noch ein randständiges Thema. Hier geht es aber ums Fotografieren einer seltenen, geisterhaften Raubkatze.

Stiller inszeniert hochprofessionell, hochpräzise. Er umgibt sich mit Vorliebe mit dicken, rundlichen oder bärtigen Männern, damit sein hageres Intellektuellengesicht besser zur Geltung kommt. Die Figuren sind extrem pointiert ausgewählt und inszeniert, fast so, als ginge es um exquisite Fotografie so wie LIFE das eben praktiziert. Fast schon wieder vom Leben weg in eine höhere Sphäre von Kunst und Künstlichkeit hinein.

Aber was will uns Stiller erzählen? Dass er ein Herz für kleine Angestellte hat, die nie im Rampenlicht stehen, dass er ein Faible für raue, isländische oder grönländische Seeleute hat, dass er filmisch ergiebige Wüsteneien liebt, durch die er seinem Ziel, dem Fotografen, der immer gerade wieder woanders ist, zustrebt (nötigenfalls auch mit einer eleganten Skateboard-Fahrt)? Das meine ich mit akademisch, dieses gepflegt Zusammengestellte und Ausgewählte, wobei mir nicht ganz klar ist, was er uns erzählen will. Oder steckt einfach viel Fotogeschmack und Fotoeitelkeit dahinter? Es wirkt so, als stelle Stiller selbst so etwas wie ein filmisches LIFE her; schöne Bilder aus aller Welt mit einer netten und doch modernen Geschichte verbunden, durchaus menschlich anrührend.
Zwischendrin gibt’s eine schnuckelig akademische Referenz an den Film „Benjamin Button“.
Eine Ben-Stiller-Narzissmus-Veranstaltung, äußerst gepflegt und ansehnlich.

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