Der Künstler und das Mädchen

Faktisch leistet hier Fernando Trueba, der mit Jean-Claude Carrière auch das Drehbuch geschrieben hat, Gedenkarbeit, Gedächtnisarbeit, vielleicht sogar Verehrungsarbeit anhand einer Künstler-und sein-Modell-Geschichte. Denn den Film hat er seinem verstorbenen Bruder gewidmet, der Bildhauer war.

Der Film ist in schwarz-weiß gedreht und spielt zur Zeit kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges in einer kleinen Ortschaft im Süden Frankreichs in der Nähe der Grenze zu Spanien.

Die Hauptfigur ist der von den Jahren, vom Wetter und vom Leben geprägte Jean Rochefort, der etwas Clownhaftes in seinen Augen hat, als der alte Bildhauer Marc Cros. Er ist immer auf der Suche nach neuen Modellen, nach hübschen, jungen Frauen, die ihm Modell stehen für seine Skulpturen. Die Frau schlechthin ist für ihn der erste Gottesbeweis. Der zweite ist das Olivenöl. So wird er am Ende des Filmes ganz glücklich in seiner Atelier-Hütte oberhalb des Ortes vor der neuen Skulptur, die er während diesem Film geschaffen hat, sitzen, sie betrachten, noch feilen an ihr und dann ein Weißbrot mit draufgeträufeltem Olivenöl zu sich nehmen.

Derweil ist sein Modell schon auf dem Weg woanders hin. Es ist ein spanisches Mädchen, ungebildet und ländlich, sinnliche Lippen mit einem eher rauen Ton. Claudia Cardinale, als Léa Cros, die Frau des Bildhauers, hat sie ihm beschafft, sie lag mit Lumpen bekleidet und Löchern in den Schuhsohlen vor einer Haustür in der Ortschaft. Früher war Léa das Modell.

Der Hauptteil des Filmes beschäftigt sich mit den Sitzungen von Maler und Modell. Aida Folch als Mercè braucht sich vor Schönheiten der bildenden Kunst nicht verstecken. Diese Sitzungen geben Anlass für Erörterungen über die Kunst, kunstphilosophische Betrachtungen auch anhand einer Postkarte mit einer schnellen Rembrandt-Skizze drauf; er dürfte kaum mehr als 45 Minuten gebraucht haben, meint Cros, aber das sei nicht das Entscheidende.

Die Grundthese des Filmes: lieber Kunst statt Krieg. Letzterer spielt in den Film hinein. Auf dem Markt werden Brieftauben konfisziert, angeblich wegen Spionage, der Volksmund vermutet eher kulinarisches Begehren der Soldaten. Von Stalingrad ist die Rede. Einmal findet Mercè einen amerikanischen Fallschirmspringer im Wald; sie selbst arbeitet mit der Résistance zusammen und schmuggelt Partisanen nach Frankreich.

Andererseits hocken die Nazis in Frankreich. Und so kommt es zu einer Begegnung, die als ein epigonales Echo auf Melvilles einzigartigen Film „Das Schweigen des Meeres“ von 1949 gelesen werden kann; dort ein zwangsuntergebrachter deutscher Offizier mit Bewunderung für die französische Kultur; hier ein deutscher Offizier, Götz Otto, der als Offizier Werner ein Bewunderer und Kenner des Werkes von Marc Cros ist und diesen auch aufsucht. Und es gibt poetisch-malerische Szenen auf einer Wiese, an einem Wasserfall. Ein schöner Festtagsfilm.

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