Der Teufelsgeiger

Das Genie und der Pöbel, das Genie und der Dilettant, das Genie und das Mittelmaß, dieser Widerspruch dünstet bei diesem Film aus allen Poren. Oder: das Küchenpersonal versucht sich an einem Genie. Das wird noch der Erklärung bedürfen.

Das Genie, um das es hier geht, ist der Geigenvirtuose Noccolò Paganini, der 1782 bis 1840 gelebte hat. Bernd Rose, der nicht nur das Buch geschrieben hat, sondern auch als Kameramann in eigener Regie fungiert, zeichnet diesen spiel- und frauensüchtigen Paganini, der contre coeur von seinem Vater zum Geigenspielen gezwungen worden ist, als einen Urvorvater der Popstars mit langem, schwarzem Mantel, langer Mähne, Sonnenbrille. Er besetzt ihn mit einem Typen (David Garrett), dem man vielleicht den Surflehrer im Club Robinson, aber nie und nimmer einen sensiblen Violonisten abnehmen will; im Film kommt der Satz ja auch vor, dass es nicht auf das Können ankomme, Genie und Amateurtum auch hier eng beisammen; und die Geigenmusik, die Rose über das Geigenspiel dieses Paganinis legt, ist vielleicht gutes Konfektions-Konservenmaß, aber holt genau das nicht aus der Geige heraus, was ein Publikum in Entzücken versetzen könnte, so wie es in einem Konzert in London gezeigt wird.

Was uns der Autor im Untertext dieses Filmes erzählt, ist, dass er Erfolg liebe, dass ihn Erfolg antörne, dass er sich nach Erfolg sehne. Und deshalb, das dürfte eine folgenschwere Fehlentscheidung gewesen sein, entschied er sich vermutlich nicht nur für diese grandiose Fehlbesetzung der Hauptrolle, sondern auch für eine ganz triviale Erzählweise. Die führt er zwar konsequent nach dem Prinzip „und dann“ durch; und hält sich am liebsten bei den kitschigen, gefühlvollen Dingen auf, will keine Zeit mit Konfliktanalyse verbrennen.

Von dieser Fehlentscheidung des Autors war Veronika Ferres, die deutsche Schauspielerin, offenbar so angetan, dass sie den Film gleich mitproduziert hat, in der irrigen Annahme, sich selbst durch die Besetzung als Elisabeth Wells, der bösen Stiefmutter der hübschen Charlotte, die sich aber von ihren Gesten eher wie ein Stubenmädchen aufführt, eine Glanzrolle zu verschaffen.

Der kleine Twist im Film ist der, dass Paganini sein Geld andauernd verspielt, andauernd pleite ist und so ein Angebot aus London mit der Aussicht auf königliche Bezahlung und auf dringendes Anraten seines Managers Urbani trotzdem nicht annehmen will. Er muss zu diesem Engagement mit physischer Gewalt hinbugsiert werden.

In London ist der Dirigent und Musikmanager Watson die treibende Kraft, die eine Reihe von Paganini-Konzerten durchführen will und sich das große Geschäft davon verspricht, um das kriselnde Theater zu retten. Dessen Frau spielt eben die Koproduzentin dieses Filmes. Und die Stieftochter soll sich als Stubenmädchen dem berühmten Geiger nähern.

Weil das Genie als Weiberheld verschrieen ist, protestiert eine Frauenrechtlerinnengruppe lauthals vor dem Hotel, in dem es absteigt, so dass es in der gepfändeten Wohnung der Managers Watson Zuflucht sucht. Töchterchen Charlotte, die sängerische Ambitionen hat, auch hier im Widerspruch zwischen Genie und Mittelmaß des Talentes, spielt das Dienstmädchen, das den schwierigen, grapschigen Gast bedienen soll. Dienstmädchenromanze in Reinkultur, nein, es wird sich ins Melodram wenden, denn eine andere Frau pfuscht hinein in das pure Dienstmädchenglück; es ist eine Journalistin von der „Times“, die eifersüchtig wird bis zum Platzen und das junge Glück mit einem Zeitungsartikel brutal zerstört. Die Macht der Presse machtvoll und für jedermann verständlich demonstriert.

Zwischendrin gibt’s lange Stellen mit Musik und viel Applaus und Standing Ovations und Hütewerfen und Damentüchlein in die Luft werfen. Angetan von dieser Groschenroman-Schmonzette waren auch Bettina Ricklefs von BR und Andreas Schreitmüller von ARTE, die Zwangsgebührengelder für dieses kleine, wenig aussagekräftige Machwerklein locker machten. In manchen Momenten erinnert die Inszenierung, auch was Cast und Spiel betrifft, an den Vereinsunterhaltungsabend des Musikvereins Veitshöchheim (hier nur des Klanges des Namens wegen genommen).

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