Weniger spannender Krimi denn atemlos geschmackvoller Bilderbogen von hoher, linksintellektueller Salonwarte herab zum Thema Gentrifizierung („Finger weg vom Jugendhaus“) am Beispiel der Boombaustelle München.
Der Krimi, soweit nachvollziehbar, wildert, da wo die Tiefe der Zeit im Nazimilieu wurzelt, im feinen Derrick-Milieu (Familie Holzer und ihre Villen am Isarhochufer), wobei die Ahnmutter mit der Knarre eher aus dem Helge-Schneider-Wild-West-Universum entsprungen sein dürfte.
In diesem Film des Fernsehregie-Säulenheiligen Dominik Graf nach einem Buch von Bernd Schwamm (hat zwar Fahnder und Rosenheim-Cops in seiner Vita, aber keinen Derrick) buddelt ein Baustellenbagger eine Leiche frei. Diese wird Anlass für einen Gang nicht nur durch das Derrick-Milieu sondern auch durch das Umwandlungs-München, gegen welches sich Alt-Wackersdorf-Protestierer auflehnen und Mieterdemos mit der Initiative Westend veranstalten. Dieses Milieu wiederum legt mittels wunderschöner Innenausstattungs-Referenz tiefere Sehnsüchte des Regisseurs frei: das Filmplakat „Nuda per il Diavolo“ ein Film von Wolfgang Becker, der einige Derricks inszeniert hat. Die andere Filmplakat-Referenz gilt mit „La Sfida degli Implacabili“ dem Spaghetti-Western, dem italienischen Giallo-Film in der Person von Ignacio F. Iquino, einem italienischen Vielschreiber-Autor, der in der IMDb mit 103 Titeln vermerkt ist. Da muss Dominik Graf sich sputen, der bisher mit 39 Regietiteln aufwarten kann. Hinweise auf unerfüllte Kino-Sehnsüchte des Regisseurs anstelle präziser Milieu- und Menschenstudie.
Durch Dominik Grafs Münchner Bilderbogen von ausgesuchter Erlesenheit und Schick stapfen zwei weißhaarige Kommissare wie wasserdicht und wetterfest und milieuresistent, denen weder die Referenz auf die Nazizeit oder die Korruption im Baugewerbe oder die Wildwest-Allüren einer Alten noch das Männerwohnheim noch Coiffeur Heesters noch die eleganten Büros noch die geschmackvoll ausgewählten Darstellerinnen (die wiederum mehr über den Geschmack der Casterin oder ihrer Vorstellung vom Frauenwunschbild des Regisseurs erzählen als etwas über die reale, schöne Münchnerin) was anhaben können, als würden sie die tausendste Führung durchs Wolpertingermuseum runterrasseln. Oder sie kommen mir vor wie zwei Möbelpacker, die dem TV-Zuschauer seine wöchentliche Sonntags-Kommode frei Stube liefern, wobei ihr Navi sie andauernd in die falsche Richtung und in Einbahnen schickt.
Der Titel „aus der Tiefe der Zeit“ erweckt einen Anspruch, der mit der Leiche von SS-Hauptmann Schwertfeger (zu diesem Thema gepflegte Orgelmusik) lediglich formal abgegolten wird, sich das Etikett historischer Wichtigkeit selbst verleihend.
Ein Traum-München, in dem kroatische Gangster Kinderlieder singen.
Die einzig glaubwürdige Figur im Ganzen, das ist die „arme Sau“ Gerry (Moritz Katzmeier).