Gravity

Ein riskantes Unternehmen, Menschen in den Weltraum zu katapultieren und sie in Raumstationen die Welt 600 km über der Erdoberfläche bei extremer Kälte oder Hitze umkreisen lassen. Riskant, wenn was schief geht. Und ebenso riskant, eine Geschichte von so einem Unfall im Film zu erzählen, mit nur zwei Darstellern, wobei der eine, George Clooney auf weniger als halbem Wege schon verloren geht und dann nur noch einen frisch-feschen Auftritt im Traum der übriggebliebenen Solodarstellerin dieses Filmes, es handelt sich um die gesichtsharmonisierte Sandra Bullock, einen Auftritt hinfetzt, als ob er gerade aus der Garderobe käme und sich einen Spaß daraus machte, denn vorher war er auch nur bis aufs Gesicht vermummt in einem Raumfahreranzug zu sehen gewesen. Hier wirkt er wie eine erfrischende Dusche auf 1000 Kilometern Wüste. Der Auftritt demonstriert hervorragende Dosierung und Timing durch Alfonso Cuarón, den Regisseur, der mit Jonas Cuarón auch das Drehbuch geschrieben hat. Durch das Traumkonstrukt, ein Rettungstraum von Frau Bullock, die allein im All in einer Kapsel dem Ende der Sauerstoffversorgung entgegensieht, ist der Auftritt ex nihilo gegen jeden Einwand gedeckt und ein Ereignis.

Auch Sandra Bullock als Dr. Ryan Stone ist über weite Strecken in einem dicken Raumanzug versteckt, versucht erst eine Reparatur an einem Außenteil der Station; versucht der schauspielerischen Reduzierung aufs Gesicht im inneren des Anzuges mit schauspielerischer Intensität zu begegnen. Gefühlsausbrüche von Angst, Panik, Hoffnung, Motivation allein im All.

Der Film fängt mit gespenstischer Weltallruhe an. Nur ganz entfernt machen allmählich Funkstimmen auf sich aufmerksam. Hier im All könnte sich ein großes Drama zwischen zwei Menschen abspielen. Ein Drama von der Art, wofür oft schon die Wüste, das Eis, das Meer herhalten musste im Film – und oft auch ergiebig waren. Hier also der Blick von hoch oben auf die Erdoberfläche. Auf der Erde kann das niemand mehr hören oder sehen. Wobei ein Nebenspiel des Zuschauers durchaus sein kann, immer wieder bei den Blicken aus dem All zu identifizieren versuchen, wo man sich gerade befindet, wobei der Sonnenaufgang über dem schlafenden Niltal sicher zum Schönsten gehört.

Die Dialoge, die die beiden im All führen, die kommen einem recht kalkuliert vor: in der großen Einsamkeit über das Leben und die Liebe und ob es dort unten jemanden gibt, zu sprechen.

Der Zuschauer muss allerdings weit über eine halbe Stunde sich in Geduld üben, bis er endlich den perfekten, makellosen Körper von Sandra Bullock, eingepackt in hautenge Raumfahrtunterwäsche in der Kapsel schweben sehen darf. Das hat einen eigenen Reiz, so ein Körper, so schön, so schwerelos zwischen umherschwebenden Schrauben und in all dem technischen Verhau an Apparaturen, Leitungen, Knöpfen. Raumkapselerotopoesie.

Eine Sequenz, die eher dem Genre der Skurrilität oder des humoristischen Filmes zuzuordnen wäre, wenn Bullock mit einem Feuerlöscher aus der eben verlassenen Kapsel versucht, an ein verlassenes Raumschiff der Russen anzudocken und den Feuerlöscher als Raketenantrieb benutzt, um die Annäherung zu steuern. Ein Hexenbesen wär es früher gewesen. So ganz ohne Humor ist Alfonso Cuarón eben nicht.

Entzücken im russischen Raumschiff: das Christophorus-Bildchen in der Schaltzentrale, später, nach nochmaligem Raumschrottwechsel, bei den Chinesen, da wird es ein Buddha sein. Da fällt doch auf: wie viel Weltraummüll an verlassenen Raumstationen hoch über unseren Köpfen seine Bahnen zieht. Für schiffbrüchige Raumfahrer wie die unsrigen ideal zum Schrottraumstationen-Hiking.

Wobei Cuarón am meisten Freude doch an den Spielereien und Katastrophensituationen zu haben scheint, die solcher Raumschrott und Raumpannen dem begeisterten Filmemacher bieten, Andock- und Rettungssituationen, Aufprall beim Landungsversuch wie ein toter Gegenstand plus entsprechendes Sounddesign, wie sich ein Raumfahrer in einem Gestrüpp von losen Bändern verfangen kann oder gar wie eine Kapsel sich in einem Bremsfallschirm verfängt, grandiose Rettungsaktion von Bullock, denn der Bremsfallschirm bindet die Rettungskapsel, mit der sie vor der explodierenden Raumstation fliehen will an diese: hochriskantes, zeitbegrenztes Manöver im artistischen Bereich, wie schon andere vorher, wenn sie und George Clooney wie Trapezartisten im All mit einem Seil und Karabinerhaken nur verbunden sind, immer am Rande des Verlorengehens im All. Dünne Banden der Vergänglichkeit. Was dramaturgisch mutig ist, einen Hauptdarsteller einfach im All zu verlieren.

Wobei das Sound-Desing anfänglich angenehm zurückhaltend ist, je mehr aber das Melodram seinen Lauf nimmt, desto sentimentaler wird es, will Hoffnung machen in der größten Krise. Um die Geschichte selbst, die dann doch eher dünn ist, nun ja, immerhin eine Überlebensgeschichte, ein Überlebenskampf, die junge Frau und der Weltraum, etwas breiter wirken zu lassen.

Und den abgelutschten Satz „Its time to go home“, den bringt Clooney im Traumauftritt als belustigtes Zitat. Dass wir das noch erleben durften.

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