Langzeitdokumentation als solches ist schon etwas Faszinierendes: Menschenentwicklung im Zeitraffer und mit nicht garantiert vorhersehbarem Ende. Maria Knilli (Redaktion Thomas Sessner) hat sich für ihre Langzeitdokumentation eine Schulklasse der Waldorfschule bei Landsberg vorgenommen. Seit 2007 begleitet sie die Schüler und ihre Klassenlehrerin, denn diese bleibt einer Klasse 8 Jahre lang in dieser Funktion erhalten. Hier nun der zweite Teil der Doku. Die Kinder sind anfangs 9 und am Ende 12 Jahre alt. Sie stehen am Übergang von der Kindheit zum Jugendlichen. Am augenfälligsten ist das hier zuerst allein am Volumen, was die Klasse anfangs des Filmes und am Ende des Filmes im Klassenraum einnimmt; es hat deutlich zugenommen.
Maria Knilli geht sehr klug vor, hat das Vertrauen zur Klasse und der Lehrerin längst gewonnen; sie stellt auch nicht einzelne Schüler als Stars in die Mitte; das ruhende Zentrum ihres Filmes ist die Klassenlehrerin Umbach, eine berufene, eine geborene Pädagogin. Genauer gesagt: eine geborene Waldorfpädagogin. Sie macht den Film zu einem klaren Votum für diese Schulphilosophie. Und das wird jetzt vor allem spannend, man möchte am liebsten sich zeitlich die nächsten drei Jahre vorausbeamen lassen und schauen, wie das ausgeht im dritten Teil. Einerseits die Rudolf-Steiner-Welt, die Goethe-Welt mit ihren Metamorphosen der Pflanzen, mit ihrer Tradition des Schultheaters, des Musischen, des Respektes vor den Menschen; auf der anderen Seite diese Kinder, die anfangen Jugendliche zu werden, Ablehnung gegen die Autoritäten zu empfinden, die einem enormen Einfluss der technischen Medien ausgesetzt sind (die haben in der Waldorfwelt nichts zu suchen); denen als übernächste Stufe eine Welt des gnadenlosen Wettbewerbes (der nicht weniger werden dürfte) in Handel, Industrie, Fabrikation, Wissenschaft, Management ausgesetzt sind, einer Welt des Diktates der Ökonomie, einer Welt des Mobbings, der Intrige, der Feinseligkeit.
An der Waldorfschule aber gilt der Gedanke des Miteinander, keiner soll ausgebremst werden. Jeder hat seine Qualitäten. Es gibt am Ende der ersten Schuljahre nur Wortbeurteilungen und die Versetzungsfrage stellt sich nicht. Die Schüler sollen Vertrauen in sich gewinnen. Sie sollen durch Üben die eigenen Grenzen erweitern. Sie sollen ihr Identität entwickeln können.
Als symbolische Vergegenständlichung des langen gemeinsamen Entwicklungsweges unternimmt die Klasse in den acht Jahren eine Etappenwanderung von Landsberg nach Venedig; die wiederum die soziale Struktur in der Klasse ganz schön durcheinanderwirbeln kann.
Der Titel dieses zweiten Teils der Langzeitdoku bezieht sich auf das Bild, dass die Eltern in die Selbstverwaltung der Schule und durch viele Veranstaltungen in den Entwicklungsprozess integriert werden; was als Pfeiler der Brücke interpretiert wird, über die der Weg der Kinder in die Welt hinaus führt; eine Brücke, die sie brauchen in einer Zeit enormer seelischer Veränderungen, in der heftige Krisen auftreten können. Bemerkenswert auch, dass die Pädagogin nicht von körperlichen Veränderungen spricht.
Ob die Gitarrenzupferei zur gelegentlichen Untermalung der Bilder nötig gewesen wäre, sei dahin gestellt.
Diese Landsberger Idylle hebt sich deutlich ab von Berichten über Lehrer mit frühem Burnout, mit riesigen Disziplinproblemen mit den Schülern. Davon ist im geschützten ländlichen Landsberg nichts zu spüren. Eine heile Welt?