Ummah – Unter Freunden

Mit einer interessierten Kamera, die sich brennend für ihren Gegenstand und nichts anderes interessiert, ohne jeden Soundtrack, lediglich Originalton aus der Räumlichkeit, in der der Film von Cüneyt Kaya anfängt, gewinnt er das Zuschauerinteresse sofort und Sympathie dazu.

Die Kamera sucht einen blutverschmierten Kachel-Boden in einer Kneipe ab und hat auch schon einen Körper vorm Objektiv, einen ruhigen Körper, blutdurchtränkte Kleider, eine Blutlache daneben. Ein Toter liegt in seinem Blut. Die Kamera sucht behutsam weiter, findet noch einen Körper, auch dieser blutverschmiert. Die Kamera bleibt auf dem Gesicht. Die Halsadern pulsieren. Die Augen öffnen sich. Einer der überlebt hat. Ein Mann. Ein junger Mann. Langsam kommt er zu sich. Versucht schmerzerfüllt sich zu bewegen, sich aufzurichten. Das alles ohne einen untermalenden, künstlichen Sound.

Der Darsteller gewinnt sofort unser Interesse. Weil er so gut spielt, weil er in dieser armen, fast kahlen Umgebung einfach nur spielt, überzeugend spielt, als ob er auf einer leergeräumten Bühne stünde. Es ist der Hauptdarsteller, das wird bald klar werden. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist die, wozu verwendet Cüneyt Kaya soviel Energie darauf, diesen Mann mit so viel Empathie rüberzubringen? Er wird gespielt vom gerne zweiflerisch drein schauenden Frederick Lau und heißt im Film Daniel Klemm.

Daniel arbeitet im rechten Untergrund für den Verfassungsschutz. Wegen der Schießerei, die er verschuldet und überlebt hat, der aber zwei Menschen zum Opfer gefallen sind, muss er aus der Schusslinie gezogen werden. Der Verfassungsschutz schickt den jungen Mann ausgerechnet nach Berlin-Neukölln ins Immigrantenmilieu.

Ab hier ändert der Film plötzlich sein Verständnis von Kunst und Kino. Ab hier gibt es Musik. Ab hier kann einem mulmig werden. Ab hier missbraucht der Film oder verarscht er die bis anhin fast zärtliche Zuneigung, die er zu seinem Objekt und Hauptdarsteller gezeigt hat, ab hier wird er in die Zwangsjacke einer merkwürdig versöhnlerischen Gefühlsdusselei gesteckt, die uns belehren will: der Islam ist gut (born to be Islam) und böse ist der Verfassungsschutz, der hier zu einer Mörderbande mutiert, als lebe er im Irak oder in Syrien.

Wobei zu unterscheiden ist zwischen Darstellung und Message. Was aber dem Hauptdarsteller nicht gut bekommt, denn intuitiv spürt er die merkwüridge Zerdehnung seiner Figur durch das Buch, spielt fortan den an einem Konflikt Leidenden, der so nicht nachvollziehbar ist, spielt den zum Opfer ausersehenen. Während das Drehbuch ihm seinen Urkonflikt vollkommen vorenthält, nämlich seine Vorgeschichte, die dazu geführt hat, dass er sich als Verfassungsschützer in die rechte Szene reinschmuggeln hat lassen.

Was dem Film durchaus gelingt, ist die Schilderung des Milieus in Neukölln, in das Daniel, weil er einen Fernsehapparat möchte, hineingerät: das Milieu der Immigranten aus der Türkei, aus arabischen Ländern, aus Afghanistan und die sich etabliert haben, sei es mit kleinen Geschäften oder auch mit Dealerei.

Eine Riege wunderbarer Darsteller spielen die Herzlichkeit, die Körperlichkeit, die Gastfreundschaft und Toleranz einer erträumten islamischen Gesellschaft in Deutschland. Wobei mir unglaubwürdig scheint, dass ein Deutscher, der nicht einen Zipfel sozialen Netzwerkes zu Deutschen hat, hier so unbedingte Aufnahme findet. Den auf ideologisches Toleranzgetue hereinfallenden Fördergremien wird faustdick das Thema Kopftuch aufs Auge gedrückt, resp. auf die Plakatwand: in einer nächtlichen Aktion sprühen Daniel und seine Freunde einer dünn bekleideten Werbefrau auf einem Plakat eine Burka auf. So scheint es mir mit der Message dieses Filmes ergangen zu sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert