Camille – Verliebt nochmal!

Eine sympathische Eigencréation von Noémie Lvovsky, die mit Maud Ameline auch das Buch geschrieben hat und die Hauptrolle spielt. Eine création individuelle, mit der sie des Zuschauers Geist anregen will und sicher auch tut.

Der Topos ist nicht zu weit weg von Jedermann und Jederfrau, die Frage, habe ich mich im Leben und der Liebe richtig entschieden und wie würde ich es mit den Erfahrungen von 40 Jahren machen, wenn ich nochmal zurückkönnte.

Im Film ist das möglich. Diese Chance bietet sich Noémie Lvovsky und sie nutzt sie sprudelnd erzählend, als sei die Hervorholung ihrer Erinnerungen ein unerschöpflicher Quell.

Wir lernen sie kennen, Camille Vaillant nennt sie ihre Figur und ist Schauspielerin, wie sie bei einem Dreh im Horrorstreifen „Die Rache des Metzgers“ eine Tagesrolle als Opfer des Metzgers mimt. Sie liegt reglos in einem Bett, ist kompliziert verkabelt für das Blut, was ihr aus dem Hals spritzen soll, wobei ein Techniker sich schier den Atem aus der Brust pumpt um dem Drängen des Regisseurs nach genügend Druck Folge zu leisten.

Camille hat also lediglich im Bett zu liegen und wie der Metzger ihr in den Hals sticht verendend zu röcheln. Nicht unbedingt eine dankbare Rolle für eine vierzigjährige Schauspielerin, die etwas auf sich hält. Kein Wunder, ist sie dem Alkohol verfallen. Die Heimfahrt in der S-Bahn wird zum establishing Shot ihrer Figur, wie sie bitter, frustriert, horizontlos in ein dumpfes Nachsinnen versinkt und ab und an einen Schluck aus der Pulle sich genehmigt.

Zuhause erwartet sie die Trennung von ihrem Mann, sie schmeißt ihn mit wenig Habseligkeiten raus, wie der Makler kommt, der die Wohnung kaufen will, sie preist alle Mängel der Wohnung lauthals an.

Es folgt der Sprung in die Vergangenheit. Sie ist wieder 16, geht zur Schule. Etwas hellerer Teint, ein fröhlicheres Gesicht und altmodische Klamotten reichen vollkommen aus, um den Zeitsprung glaubwürdig zu machen. Sie ist ja die, die schon 25 Jahre älter ist, das wird sie bei diversen Gesprächen auch anbringen. Jetzt wird ihr Leben also wieder genau so ablaufen, wie schon einmal, sie schafft es nicht, auszuscheren, auch wenn sie es versucht.

Wieder finden die Theaterproben des Goldoni-Stückes „Die Verliebten“ statt; Camille wird die Rolle der Eugenia spielen und ihr künftiger Mann den Fulgenzio. Das Drama des Versuchs seiner Wiederholung kann sich entwickeln.

Noémie Lovovsky macht nicht Kunst um der Kunst willen, nicht um der Perfektion willen, sie vergleicht sich nicht mit irgendwelchen Größen. Sie will diese Geschichte, diese Reflexion über das Leben und die Liebe lebendig, quicklebendig auf die Leinwand bringen, nicht theologisch missionarisch versessen, nicht bierernst muss das sein, lieber mal ein bisschen outriert spielen, etwas overacten ist doch ganz lustig und unterhaltsam, besonders der Lehrer und der Regisseur des Goldoni-Stückes oder der Liebhaber, mit dem sie sich auf dem Bett einen Ausziehwettbewerb liefert, der den Lover ganz schnell verzweifeln lässt, lieber das als Langeweile aufkommen lassen.

Für die Verspieltheit sprechen einige Gegenstände aus ihrem Leben, die, noch bevor das Spiel anfängt, isoliert über die Leinwand fliegen oder schwimmen. Die Katze, die Uhr. Es ist ein erzählpraktisches Kino, wofür sich Noémi Lovovsky entschieden hat. Im Rahmen dieser Rückschau stellt sie sich auch die Frage: geht die Liebe am Alltag kaputt? Zum Abschluss gibt’s ein schönes Chanson über die Klippen am Rande des Ozeans.

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