Sadhu (fünf seen film festival)

Was macht ein junger Mann, fast schon in den besten Jahren, körperlich ideal gebaut (und wohl ein Freund der Freikörperkultur), der einmal davon geträumt hat, eine Karriere als singender Musiker zu machen, der noch ganz verhalten, fast theoretisch ein Leben in Zweisamkeit erwägt, der aber offenbar den Sinn im Leben noch nicht gefunden hat?

Suraj Baba ist ein solcher junger Mann. Er hat sich 8 Jahre als Einsiedler in Indien ins Gebirge zurückgezogen und ein Eremitenleben als Sadhu, als Wahrheitssuchender gelebt in einer einfachen Behausung, mehr Höhle als Haus.

Ihn hat der Schweizer Dokumentarist Gael Métroz dort aufgesucht und ist bei ihm geblieben. Erst hat er ihn in seinem Einsiedlerleben mit vielen Nahaufnahmen gefilmt. Wie er kocht, meditiert, sich am Fluss wäscht. Wie er erzählt, dass das nicht immer leicht war in dieser Zeit. Dass er Zweifel gehabt hat. Und dass er jetzt eine Abwechslung brauche.

Er hat sich zu einer Pilgerreise nach Kumbha Mehla entschlossen. Der Dokumentarist begleitet ihn. Die Pilgerreise hat er barfuß, resp. nur mit Sandalen als Schuhwerk angetreten. Das ist nach etwa einer halben Filmstunde, die bisher ein Einpersonenfilm gewesen ist, der Fall.

Métroz heftet sich an seine Fersen, wird sein intimer Begleiter bei dieser Wahrheitssuche. Wir sind dem Suchenden ständig nah. Und doch erfahren wir bis zuletzt nicht, was ihn treibt. Er hat aber von einer gelegentlichen, gewissen Leere gesprochen. Er spricht auch von Jahren des Leidens, von einem Ungleichgewicht in seinem Denken – braucht er eine Therapie?

Er entscheidet nach dem Prinzip der via negationis. Kumbha Mehla, das ist filmergiebiger Zirkus und Massen und Show und Jahrmarkt und Wettbewerb der Gurus um den aufregendsten Auftritt. Das gefällt Baba nicht. Ein Guru will er auch nicht sein. Das erzählt uns eine Szene mit einer Frau, die um seinen Segen bittet.

Ein Sadhu referiert über die Wachheit der Sadhus und dass sie wenig Schlaf brauchen. Baba möchte aber ganz etwas Spezielles, das Konkrete, wie er meint – und bleibt doch nur abstrakt. Er möchte zur Quelle der Schöpfung, das ist sein neuer Entschluss, er will zu den Heiligen Seen tief im Gebirge Nepals, eine lange und strapaziöse Reise durch endlose, kahle, steinige Hochtäler.

Eine Zwischenstation ist Kathmandu. Hier fährt der Pilger Rikscha und deckt sich mit Reiseutensilien ein und mit neuen Schuhen. In einer Musikbar greift er selbst in die Gitarre. Wie er überhaupt oft Musik macht und dazu Lieder singt „Zögere nicht, wenn ein schönes Mädchen kommt“ oder „Baby, ich liebe dich“. Aber sein Verlangen nach Frauen scheint mehr theoretischer Natur zu sein.

Zwischendrin lässt Métroz stimmungsvoll einen Adler kreisen. Der Suchende sucht das Konkrete, aber Tempel und Klöster behagen ihm nicht. So sucht er denn den See, wundert sich selbst zwischendrin, auf was für einen Weg er sich aufgemacht habe, sorgt sich ein bisschen, was er nach dieser Reise, die ihm viele Erkenntnisse verschafft habe, machen werde.

Im Film werden wir es jedenfalls nicht erfahren. Baba lebt immer dann auf, wenn er mit anderen Menschen zusammen ist. Ob ihm das selbst auch aufgefallen ist? Ein unkonkreter Traum von Spontaneität. Ein dem Sucher und dem Suchenden zugeneigter Film, die immer wieder Unruhe stiftende Frage nach der Essenz des Lebens, nach dem Glück, nach der Perfektion.

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