Hier traut sich das deutsche Kino im Genre des Teenie-Filmes ohne das Gehirn abzustellen, seine Verkopftheit über Bord zu werfen und sich auf eine Gefühlsgeschichte einzulassen, die von der Story her zuerst vermuten ließe, aha, wieder einer der Teeniefilme, wie jede Generation sie mehrfach hervorbringt.
Vier Jungs, Schüler an der Theodor-Heuss-Schule, haben eine Band. Die heißt „Systemfehler“, ihr Hit ist „Wenn Inge tanzt“. Inge gibt es auch. Sie ist eine verspannte, widerborstige Streberin, ein Rühr-mich-nicht-an-Blümchen und sauer auf die Jungs wegen dem Song. Für sie ist sie die Batikflunse, Tofutrulla, Benefizbitsch. Musikalisch ist sie klassisch zugange.
Die Band bekommt nun die Chance, als Vorgruppe der bekannten Band Matzen aufzutreten. Leider verletzt sich der Gitarrist. Der Auftritt könnte das Sprungbrett für einen Plattenvertrag sein, er muss also unbedingt stattfinden und gelingen. Wo Ersatz für den Gitarristen herholen? Inge. Nur darf sie nicht wissen, dass ihr Hass-Song auf dem Programm steht, denn sonst würde sie sofort aussteigen. Dass sich das Ganze zu einem umjubelten Happy-End hin entwickelt, darf bei diesem Feel-Good-Movie erwartet und verraten werden.
Was mich überrascht hat, ist einmal die Besetzung der jungen Darsteller, die alle in ihrem Untertext zu verstehen geben, dass sie für so ein Rolle durchs Feuer gehen würden. Max, ist der Held, ein kleiner Tom Cruise, der am Schluss heldisch die Grundaussage nur halbherzig widerlegt, dass auch diese Generation, um nach oben zu kommen, bereit ist, einiges zu unternehmen. Sie selbst singen „Alle wollen nach oben“; in einem heldischen Akt konterkariert Max das, das ist sicher ein too much zu viel an Idealismus.
Alle sind sie aufgestellte Typen mit je eigenen Charakterisierungen. Der rothaarige Tino Mewes als Fabio, der es mit dem Feuer hat, darum muss er auch Sozialstunden ableisten. Diese wiederum spielen ihm einen Krankenwagen in die Hände, in dem er die taube, alte Dame im Rollstuhl spazieren fahren soll; der Krankenwagen ist aber auch ideal für den Transport von Musikinstrumenten und der Band. Constantin von Jascheroff als der Gitarrist, der sich die Hände einbinden muss. Und schließlich Tando Walbaum als derjenige, der immer Nacktvisionen hat und nicht glaubt, eine Frau zu kriegen. Besetzung Emrah Ertem, der schon öfter ein gutes Feeling für Kinobesetzungen bewiesen hat.
So weit so üblich, könnte man sagen, ein Drehbuch mit nicht allzu blöden Dialogen, geschrieben von Thomas Winkler, Rainer Ewerrien und David Ungureit. Und auch die Inszenierung von Wolfgang Groos macht die Sache tragfähig.
Aber jetzt kommt der Clou der Geschichte, die sie über den jährlichen Output an Teenie-Filmen hinaushebt. Der Onkel, bei dem Max wohnt, der von seinen Eltern, die auf Kuba leben, abgehauen ist, sein Onkel Herb ist der leibhaftige und er lebt noch Schlagersänger Peter Kraus, der schon in den fünfziger Jahren sein Karriere als Sänger begonnen hat. Und obwohl er kein brillanter Schauspieler ist, eher wie ein Laiendarsteller aber mit großer Wahrhaftigkeit, aber schon wie die Figur geschildert wird, ist zumindest köstlich, herzlich, dass er ständig Särge ausprobiert, dass auf seinem Anrufbeantworter zu hören ist, er liege im Sterben und Max gerade nicht da sei, dass er sich mit dem Tod beschäftigt, auch wenn er ins Schwärmen kommt, wenn er an seine alten Schlager denkt, „Rosen auf Hawai“. Sein Spiel lässt um so mehr die neue Professionalität der jungen Stars in bestem Lichte erscheinen; es ist aber mehr. Interessant ist doch, dass hier der Film einen kulturgeschichtlichen Bezugspunkt im eigenen Lande sucht, der im Kino nicht so leicht finden sein dürfte, auf dieser Gefühlsebene. So bekommt die Story einen fesselnden Gegenpunkt, um den herum sie sich entwickeln kann. Hier versucht das deutsche Kino anzuknüpfen an eine Kulturabteilung, die immer emotional war, die durch den Krieg offenbar nicht so nachhaltig geschädigt wurde wie das Kino: das Singen, der Schlager, der Rockn Roll. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer, dass das deutsche Kino auf dem Weg ist, sich von seiner themenlastigen Sachlichkeit aufzumachen zu einer Fühligkeit, die den Geist nicht auslässt?
Oder wird hier nur, wie die Tafel, die in Max‘ Zimmer an die Wand gelehnt ist: frisch gebohnert?
Die Jungs sprechen sich als „compadres“, Kumpel auf Spanisch, an. Egoshooter ist ein Thema. Und ihr Ziel ist die „Streetcredibility“, was sicher auch ein Ziel dieses Filmes ist; wenn auch dahin noch ein Weg sein dürfte.
Weiterer Song von „Systemfehler“: „Konsuminfarkt“
Große Party in der Villa von Onkel Herb.
Die Flunkerei von Onkel Herb, wie er im Spital liegt und nachdem zwei alte, weibliche Fans ihn besuchten haben, sie hätten einen Gipsabdruck von seinem Geschlechtsteil machen wollen; er hätte solche Fans erlebt, die so was sammelten.