Before Midnight

Hier geht es hart auf hart. Sind die Kompromisse, die ein Mensch für eine Beziehung eingehen muss, damit diese eventuell 70 und mehr Jahre lang hält, überhaupt erträglich? Das ist der Kern der Auseinandersetzung zwischen Julie Delpy als Celine und Ethan Hawke als Jesse, einer Beziehung, die vor fast 20 Jahren in „Before Sunrise“ in Wien begonnen hat, die 10 Jahre später in „Before Sunset“ wieder besichtigt werden konnte und jetzt nochmal 10 Jahre später prüft Richard Linklater diese Beziehung erneut; er hat wieder die Regie geführt und mit Kim Krizan, Julie Delpy und Ethan Hawke auch das Buch entwickelt. Bestimmt kein Franchise-Produkt.

In diesem Film wird es Zeit, Beziehungs-Tacheles zu reden. An sich ist das gar nicht beabsichtigt, denn Julie und Jesse machen mit ihren zwei Töchterchen aus ihrer Beziehung und dem Sohn von Jesse aus anderer Beziehung auf dem Peloponnes Traumferien als Gäste eine berühmten griechischen Schriftstellers.

Jesse bringt seinen Sohn zum Flughafen von Kalamata. Er soll zurück zu seiner Mutter in den USA fliegen. Schon die Eingangsszene vor der Verabschiedung zum Check-In, wie Vater und Sohn vor einem Kiosk sich zu unterhalten versuchen, der Papa irgendwie nicht loslassen kann, irgendwie Gutes für seinen Sohn tun will, ihm was Gescheites kaufen, ihm versprechen, er werde ihn bei seinem Konzert besuchen, was der Sohn ablehnt mit der Begründung, das sei für seine Mutter zu viel Stress, ist atemberaubend nah an empirischer Wirklichkeit, ein Ereignis. Eine Szene, die einen mit ihrer Glaubwürdigkeit und Dialektik der Positionen bereits voll in Bann zieht.

Dann fahren Jesse und Celine mit dem Auto an ihren Ferienort zurück. Im Fond schlummern die beiden süßen Zwillingsmädchen aus ihrer Beziehung. Ein weiteres inszenatorisches, schauspielerisches Glanzstück, wie der Dialog plätschert und andeutet; wie sie sich entscheiden, an den Ruinen, die zu besuchen sie den Mädchen versprochen hatten, vorbeizufahren, weil diese gerade schlafen. Wie den Papa plötzlich ein Hungergefühl überkommt und er Celine bittet, ihm den angekauten Apfel des einen der beiden Mädchen zu reichen und wie er herzhaft hineinbeißt und etwas vom Teilen lernen sagt.

Die Geschichte einer Täuschung, die Geschichte von den Kätzchen, die Celine erzählt, wie sie zu Hause immer getäuscht worden sind, wie sie glaubten, die Katze habe jedes Jahr zwei Junge gekriegt und nicht 7 oder 8, dass nämlich alle anderen getötet worden seien.

Die Gastgeber organisieren ein Abschiedsessen für die Gäste aus Frankreich. Dabei kommt auch zur Sprache, dass Jesse ein erfolgreicher Autor ist und Celine das Vorbild für eine seiner literarischen Figuren abgegeben hat. Es wird über das Kennenlernen geredet, die Dauerhaftigkeit von Beziehungen, über Déja-Vus und sowieso über Wahrnehmung und Zeitsprünge. Gepflegte Konversation oszillierend an der Oberfläche der Abgründe zwischenmenschlicher Realitäten. Und natürlich über Männlichkeit und Weiblichkeit im Allgemeinen.

Das ist Einstimmung und Vorgeplänkel für den Kampf der Geschlechtertitanen, als welche sich Jesse und Celine alsbald entpuppen werden, für eine Szene, von der in keiner Sekunde sicher ist, ob es sie nicht zerbröseln wird, ob die beiden Menschen sich je wieder zusammenraufen werden (zu hoffen wäre es aus dem eigennützig cineastischen Wunsch heraus, weil uns dann vielleicht in weiteren zehn Jahren wieder ein so mitnehmender, vereinnahmender Streifen ins Haus stünde, mit einmaligen Situationen und Gesprächshattricks, wie sie im Kino nicht allzu oft vorkommen dürften); wie sie tief in die Probleme einer Zweierbeziehung hineinleuchten, das Problem, wie weit ein Mensch Kompromisse machen muss und ob das überhaupt möglich ist, um so eine Beziehung am Leben zu erhalten.

Der Ort für diese wahnwitzige Auseinandersetzung ist ein Hotelzimmer, das die Gastgeber dem nicht mehr ganz jungen Paar, sie sind beide um die 40, für eine Nacht spendieren, damit sie ohne die Kinder die Zweisamkeit genießen können. Das Warmup für dieses harte Ringen werden die Gespräche auf einem langen Spaziergang dorthin sein.

Linklater geht an die Substanz seiner Darsteller, vertraut auf ihre Bereitschaft aus dem vollen eigener Weltanschauung und Erfahrung zu schöpfen, gibt ihnen den dazu nötigen Raum und Schutz mit langen, langen Einstellungen, in denen sich die Konflikte des Paares wie von sich aus entwickeln können, fast so, als ob der Zuschauer unfreiwilliger Zeuge dieser Krise würde. Dabei stand doch Ferienglück auf dem Programm stand.

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