Ein Film mit Nachhall. Ein Roadmovie, das einen auf eine doppelt nachdenklich machende Reise mitnimmt. Auf eine Reise in die letzten Tage des zweiten Weltkrieges. Gleichzeitig auch auf eine Reise durch das Heute der Strecke jenes Gefangenentransportes mit 3600 Zwangsarbeitern in 70 Waggons von Mühldorf, Niederbayern, in Richtung Oberbayern.
Das dürfte einer der Punkte sein, der diesen Film über die Masse der Filme der Gedenkindustrie hinaushebt, dass er eine erschütternde Nähe zwischen dem Heute und der grauenhaften Geschichte schafft.
Ein weiterer Punkt dürfte die Wahl der beiden Protagonisten sein, Überlebende dieses Todeszuges. Als Hauptfigur Louis Sneh, der aus Ungarn stammt. Der in Ungarn gefangen genommen, dann nach Auschwitz und von dort nach Mühldorf verbracht wurde. Dort sollten Zwangsarbeiter eine unterirdische Flugzeugfabrik errichten (12 Stunden am Tag 50 Kg schwere Zementsäcke über eine gefährlich Rampe schleppen; manch einer, der ausglitt und abstürzte, versank und endete im Beton).
Überlebt hat der damals 17-jährige Louis Sneh, weil er angegeben hatte, er sei Elektriker, wobei er aus einem Dorf kam, in dem es nur Öllampen gab. Das erzählt er heute fast verschmitzt, fast belustigt. Für seine Erzählungen gilt überhaupt, was auch der andere Überlebende, der als Zeitzeuge prominent gewordene Max Mannheimer zur Maxime hat, nie jammernd die Geschichte vortragen, nie anklagend, damit gewinnt man keine Zuhörer, sondern sachlich und auch mal mit einer Pointe gewürzt. So findet Mannheimer in Schulen großen Anklang bei den jungen Generationen, die den Holocaust nur noch vom Hören-Sagen oder gar nicht kennen.
Walter Steffen, der Autor und Regisseur dieses Filmes, lässt diesen Todeszug Revue passieren, indem er den Großteil der Erzählungen von Sneh in einer fahrenden Regionalbahn aufnimmt. Die Strecke des Todeszuges mit der heutigen Eisenbahn befahren mit den Geschichten, die da passiert sind vor Zeiten, das setzt Aktivität im Kopf des Zuschauers in Gang, lässt ihn teilhaben.
Sneh erzählt seine furchtbare Geschichte ruhig, sachlich obwohl ihn die Alpträume nicht loslassen. Obwohl er Medikamente zum Einschlafen braucht. Denn dieser Todeszug war grauenhaft. Tagelang waren die Häftlinge in den Waggons eingepfercht. Ohne zu Essen oder zu Trinken zu bekommen.
Einmal hieß es schon, Bayern sei befreit. Da stürmten die abgemagerten, halbverhungerten Menschen aus den Waggons, suchten nach Ess- und Trinkbaren. Dann kam der Rückschlag. Dem sei doch nicht so. Sie flohen wieder in die Waggons, denn da fühlten sie sich sicher. Aber es wurde auch geschossen auf sie. So passierte es dann nochmal ganz kurz bevor die Amerikaner kamen. Das ist die Vergangenheitsspur, die im Film nebst den Erzählungen mit historischen Fotos und Filmen illustriert wird.
Auf der Heute-Spur dieses Schienenweges interessiert sich der Filmemacher dafür, wie präsent der Todeszug in den durchfahrenen Gemeinden oder wo der Zug auch anhielt und dann in Seeshaupt, wo die Befreiung kam, heute noch ist.
In Markt Schwaben gab es Schülerinitiativen, die gesammeltes Material in einer Ausstellung ins öffentliche Bewusstsein rückten. In Sendling gab es eine Aktion mit präparierten Koffern, die an die Koffer der Juden, die deportiert wurden, erinnerten und es gibt im Gegensatz zum öffentlichen München in Sendling auf privatem Grund auch Stolpersteine. In Poing gab es einen Skulpturenwettbewerb. In Eurasburg-Beuersberg ein Mahnmal. Die Erinnerungsinitiative in Bernried hat einen Baum von jener Sorte KZ3 gepflanzt, die der Pfarrer Corbinian Eigner in Dachau gezüchtet hat.
Es kommen viele Zeitzeugen zu Wort, die als Kinder die Ankunft des Transportes oder gar das Ausschwärmen der Gefangenen auf der Suche nach Nahrung und Kleidern erlebt haben.
Weil Sneh jedes Jahr zum Befreiungstag aus Amerika nach Seeshaupt gekommen ist und den Tag als Tag seiner Wiedergeburt feierte, wobei er unendlich viele Dias vom kleinen Bahnhof geschossen hat, so kam er eines Tages mit Einwohnern in Kontakt, die sich für diese Geschichte interessierten. Das führte dazu, dass zur Einweihung des lange umstrittenen Denkmals in Seeshaupt zum 50. Jahrestag der Befreiung 47 Überlebende des Zuges zu diesem Festakt eingeladen werden konnten. Eine Art schmerzlinderndes Happy End dieser schändlichen Geschichte, die einen Hauch Skepsis über das heute blühende Bayern legend erzählt wird.