Sogar Wotan Wilke Möhring kommt mit seiner Rolle ins Schleudern. Das liegt wohl daran, dass er seine Rolle des Partyservice-Menschen Markus Färber ernst nimmt und ergründen will. Das lässt sich jedoch nicht so leicht machen bei diesem konfusen Drehbuch von Gernot Gricksch. Konfus sowohl was die Thementreue ausgehend von der Exposition betrifft als auch die Unentschiedenheit des Erzählstandpunktes, ist es der von Markus Färber, dem die Frau gestorben ist, ist es der seiner Mutter, Christine, leider einer Knallchargenbesetzung, die gleichzeitig die Diagnose, Krebs erhält oder ist es die von Färbers Tochter, Kim, die gerade eine Phase des Gothic durchlebt.
Aus der Sicht von Kim, lässt André Erkau, der Regisseur, den Film anfangen. Es ist die Beerdigung der Mutter von Kim (der Ehefrau von Markus und der Tochter von Christine); die Subjektive der Erzählung ist die der Tochter, denn die hat während der Grabrede des Pfarrers die Kopfhörer auf und der Zuschauer hört nur diesen Sound, bis ihr die Kopfhörer runtergenommen werden.
Was von Anfang an auffällt, das ist die poppige Szenenauflösung, der Schnitt, der Bildausschnitt, die Kamera von Ngo The Chau, wild und neugierig, nie abgestanden sich auf sichere Lösungen verlassend. Aber die Kamera kann noch so gut sein, so aufregend sein – und die Musik passt auch ganz gut dazu – es ist vom Kinostandpunkt die ganze Bemühung umsonst, die ganze Filmförderung umsonst, wenn das Buch keine klare Geschichte erzählt.
So ist der Film denn voller dramaturgischer Löcher wie ein Emmentaler Käse und insofern nur schwer zu referieren. Die Etablierung des Todesfalles und der Trauersituation ist gut inszeniert, bebildert und auch gespielt, so dass man als Zuschauer gleich auf die Schiene gesetzt wird, wie wird Kim mit der Trauer fertig.
Aber statt glaubwürdig am Thema dran zu bleiben, springt die Geschichte jetzt, die mit glatt polierten Dialogen zu glänzen versucht – die oft um des Jokes willen entwickelt worden scheinen – springt sie auf die Krebsgeschichte der Mutter, die erst mal gar nichts mit der Trauer zu tun hat. Vom Trauerfilm zum Tumorfilm.
Die vermeintliche Hauptfigur, die inzwischen auch der Vater sein könnte, die scheint erst mal vergessen. Die Flucht von Kim nach Dänemark, die in der Kurzzusammenfassung sehr schnell vorkommt, die lässt eine Stunde auf sich warten, das Verfolgungsmovie. Ein knapp 100-Minüter, der sich eine Stunde Zeit für eine ausufernde Exposition lässt, das wird sich nicht positiv in den Zuschauerzahlen niederschlagen. So ausufernd dass Kim ständig ihre Frisuren wechselt, wozu? Ist sie nur Teilzeit-Satanistin?
Ein weiteres Problem ist der Job von Markus. Man sieht ihn als einfachen Kellner eines Partyservices bei einer Geburtstagsfeier – das macht stutzig, kann so ein Kellner sich ein Interieur leisten, wie wir es in seinem Haus gesehen haben? Sowieso handelt und agiert er eher als ein Kleinintellektueller und garantiert nicht wie ein einfacher Kellner. Krasser Gegensatz auch zwischen Spiel und der an anderer Stelle auftauchenden Behauptung, er selbst betreibe den Partyservice, denn ganz gegen Schluss gibt’s eine Kameraeinstellung in den Fond des Autos, da ist auf der Rückscheibe gerade so spekulativ zu entziffern, Färber und dann Partyservice.
Bei der Geburtstagsparty hat übrigens ein junger Mann einen Schockauftritt; er wird als Schulabbrecher und Sohn des Jubilars vorgestellt. In ihn verliebt sich später Kim, die trauernde Tochter, und wird mit ihm nach Dänemark abhauen. Aber auch diese Liebesgeschichte wird nicht empirisch nachvollziehbar entwickelt, weder vom Drehbuch noch von der Inszenierung her. Lediglich nicht abgesandte sms’s an ihre Mutter werden uns sehr spät im Film die Geschichte erzählen.
Verkopftes Drehbuch. Ein hochgradig kunstgewerbliches Drehbuch, was seine eigenen Geschichten nicht ernst nimmt, und dadurch auch den Zuschauer. Eine Autorenphilosophie wird hier penetrant gedroschen, die sie Szenen lediglich als Location für möchtegern-intellektualistischen Dialog und Pointen verwendet, immer am Rande zur Satire und Ironie, dem Zuschauer die Geschichte vorenthaltend. Pseudopointendreschbrillanzehrgeiz.
Eine weitere Figur, die eine Rolle spielt, ist die Altenpflegerin Paula, die von Rosalie Thomass tadellos und mit Charme gespielt wird; ihr gebührt ein spezielles Kränzchen, und sie zeigt uns, dass sie auch Charge spielen kann, was ja das Schwierigere ist. Aber sie hat es vielleicht einfacher, als das Drehbuch in Bezug auf sie insofern Klarheit lässt, als sie wirklich nur Charge ist; selbst vom Thema der Trauer nicht betroffen.
Ein weiteres Problem, warum bis auf ein paar müde auf Lacher getrimmte Slaps so gar keine Kinospannung aufkommen will, ist die Abwesenheit eines einfachen Handlungsgerüstes. Dass man sehr spät erst erfährt, dass der Film in Hamburg spielt. Dass man im Vagen gelassen wird über den geschäftlichen Background von Markus. Das sind unentbehrliche Rahmeninfos, wenn man eine so schwierige Sache wie Trauer ernsthaft rüberbringen will und dann noch mit dem Thema Krebs anreichert; denn es ist ein großes Thema, der Umgang mit dem Tod in unserer modernen Gesellschaft. Dazu leistet aber leider dieser Film nicht ein Körnchen Diskussionsbeitrag.
Die Antwort auf die Frage, warum Gernot Gricksch meint, ein Drehbuch zu diesem Thema schreiben zu müssen, bleibt der Film schuldig. Da mag der zugrunde liegende Roman desselben Autors eine plausible Antwort parat haben. Das Drehbuch gibt sie nicht. Drehbuchschreiben ist eine andere Kunst als Roman schreiben. Salopp sein wollende Sprüche auf Schauspieler verteilen machen noch kein Drehbuch.
Auf das Niveau von schwachen Schülerscherzen sinkt die Story mit der Spanner-Alzheimer-Szene in Dänemark, da können sich die Schauspieler noch so abstrampeln.
Was es hier zu bewundern gibt, ist aufgemotztes Bildmaterial zu einem inhaltlichen Stillstand. Es gibt keine innere Bewegung der Figuren, keine inneren (also nachvollziehbaren) Beweggründe für das Handeln der Figuren. Das einzige ist, wir „wissen“, dass sie in Trauer sind und was wir sehen, sind offenbar die Folgen davon.
Wenn Möring sich der im Bett liegenden scheintoten Mama nähert, so erinnert das an übertriebenes Kindertheater.
Diese suboptimale Kinoprodukt haben gefördert: Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen (Dr. Frauke Gerlach, Vorsitzende des Aufsichtsrates), Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (Eva Hubert, Geschäftsführerin) nordmedia fonds GmbH (Geschäftsführer Thomas Schäffer) Deutscher Filmförderfonds (DFFF) (Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann), FFA (Vorstand Peter Dinges).