Safe Haven – Wie ein Licht in der Nacht

Ein Film voller Ersatzhandlungen, vor allem dramaturgischer.

Er lässt sich zwar temporeich an. Eine Frau ist auf der Flucht. Diese Flucht muss existenzieller Art sein. Sie scheint ein furchtbares Geheimnis hinter sich zu lassen. Die Polizei, allen voran der Cop Kevin, ist hinter ihr her. Aber sie ist gerade noch mit dem Bus entkommen, den er nicht mehr erreichen konnte.

Der Bus fährt ab Boston in Richtung Atlanta. Die Frau hat einen wachen, skeptisch musternden Blick. Sie ist damit durchaus interessant. Auch wie sie in Southport ankommt. Wie sie dort erst mal am Meer sitzt. Innerer Monolog. Wie sie sich gleich einen Job bei Maddie, der Chefin von „Ivan’s“ angelt. Wie sie eine einsame Hütte im Wald mietet. Wie sie mit Alex, dem Shopkeeper mit den zwei Kindern Josh und Kristen in Kontakt kommt. Wie sie den maroden Boden ihrer Hütte neu streichen will. Das sind alles konkrete Vorgänge, die einerseits ihre Lebenssituation beleuchten andererseits sie mit den Einwohnern in Kontakt kommen lässt und das Interesse am Rätsel um sie vorerst wach halten.

Dazwischen schneidet Lasse Hallström, der hier ein Buch von Leslie Bohem nach Nicholas Sparks zu verfilmen versucht, den Cop in Boston, der mit bemerkenswert emotionaler Intensität die Flüchtige sucht. Er verschickt an sämtliche Polizeistationen eine Fahndungsplakat mit Katie, wie sie sich jetzt nennt, gesucht wegen Mordes.

Schon da fängt es an seltsam zu werden. Dafür, dass Katie einen Mord begangen hat, findet sie sich sehr schnell zurecht in dem kleinen Hafenort. Dafür bandelt sie doch sonderbar leicht mit dem Shopkeeper Alex an, dem nämlich die Frau abhanden gekommen ist, sei es entlaufen oder Selbstmord; sie hat allerdings eine Menge Briefe, auch an ihre Nachfolgerin, hinterlassen.

Vergessen wir den Krimi. Denn statt dessen, riesige Ersatzhandlung, suhlt sich der Film jetzt in einer breit ausgewalzten Annäherung zwischen Katie und Alex und man fragt sich, wie lange es noch dauern wird, bis die beiden endlich im Bett landen. Da müssen aber erst Fußböden gestrichen werden, ein Fahrrad geschenkt, mit den Kindern an den Strand gegangen, nächtliches Fische-Stechen im Meer, Kanu fahren in wildromantisch stehendem und zugewuchertem Gewässer; es scheint, als wolle sich der Film nicht für die wahren Probleme der Figuren interessieren. Ersatzhandlung. Und diese dröhnt er auch noch, besonders wenn sie glücklich sind, mit nervender Gitarrenzupferei zu; oder wenn es ungemütlicher wird, also wenn der Cop aktiv sucht, dann eher elektronisch.

Josh, der Sohn von Alex, muss mal ins Wasser fallen. Weil dem Film zu dem Zeitpunkt gerade nichts anderes eingefallen ist. Zwischendrin blendet er die lokalen Cops ein oder den Fernbus, damit der Zuschauer nicht vergisst, dass der Film eigentlich eine Geschichte mit einem großen, mit einem existenziellen Konflikt erzählen wollte. Aber dazu ist er dann eben wegen anderer Beschäftigung irgendwie nicht gekommen.

Einen kleinen Ansatz bietet der Vorfall, bei dem Alex das Fahndungsplakat entdeckt. Katie will wieder weglaufen – also auch Ersatzhandlung, sich nicht ihrem Problem stellen. Dann geht es aber ganz schnell, dass sie Alex aufklärt; das Problem wird problemlos und ohne besondere Taktikraffinesse oder entsprechendes Notrettungskalkül aus dem Film geschafft und es kann mit schönen, fast genussproduktschönen Werbebildern fortgefahren werden.

Der Cop aus Boston ist inzwischen auf die Spur von Katie gekommen. Hier erst erfahren wir, was er für ein Problem hat. Das wäre eigentlich viel spannender zu erzählen als das von einer in eine Romantic-Comedy Flüchtenden.

Um die Ersatzhandlungsstränge zusammenzubringen wird nun in Southport ein Rummel inszeniert mit ungeschickt dirigierten Massenszenen von Parade und Tanz. Nun taucht der Bostoner auf, er scheint zudem ein Alkoholproblem zu haben. Und da der Film jetzt irgendwie überhaupt nicht mehr weiter weiß, weil ja die Konfliktfäden so versteckt gehalten worden sind und er sich auch nicht entscheiden konnte, wessen Geschichte er denn erzählen will, so wird kurzerhand ein Feuerwerk in Gang gesetzt und auch noch eine Bude abgefackelt, weil das gibt willkommene Gelegenheit für hochdramatische Rettungsszenen, wobei nicht klar ist, ob sich hier der Film in Aktionismus retten will, weil er inzwischen selbst vergessen hat, was er eigentlich erzählen wollte. Aktionismus, um zu verdecken, dass der Film den Konflikten seiner Figuren nicht traut und offenbar diese dem Zuschauer nicht zumuten will und dadurch in Ersatzaktionismus seine Energien vergeudete und die Schauspielertalente und die Zuschauerzeit dazu.

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