Hannah Arendt

Für heutige Kinosehgewohnheiten kommt dieser Film von Margarethe von Trotta, zu dem sie mit Pam Katz auch das Drehbuch geschrieben hat, richtig beschaulich, betulich daher. Was aber Ausdruck für die ungeheure Behandlungs-Sorgfalt ist, die der Stoff auch verdient. Es geht um die Unfähigkeit Intellektueller zu argumentativer Auseinandersetzung am Beispiel der Reaktionen auf den Bericht von Hannah Arendt über den Eichmann-Prozess in Jerusalem.

Mit der Sorgfalt, die ein gewissenhafter Volkshochschul-Dozent verwenden würde, um ja niemanden zu überfordern, behandelt Margarethe von Trotta den biographischen Ausschnitt aus dem Leben der Philosophin und Denkerin Hannah Arendt rund um diese Prozessberichterstattung, versucht sie als Mensch mit all ihren Facetten zu zeigen, auch als eine Frau, die liebt und die Gefühle hat.

So muss das sein, wenn eine Frau einen Film über eine Frau macht. So scheint mir von Trotta gelegentlich zu schwanken, was die inhaltliche Gewichtung anlangt, zwischen verehrendem und nüchtern analysierendem Duktus. Unter dieser Unentschiedenheit leidet allerdings das auch heute brisante Thema, nämlich die Unfähigkeit Intellektueller zu argumentativer Auseinandersetzung. Aktuelle Beispiele dafür: die Unfähigkeit beim Deutschen Film, sich sachlich auseinanderzusetzen über das unmögliche Konstrukt der Eruierung der Empfänger des hochdotierten staatlichen deutschen Filmpreises durch eine Gruppe potentieller Empfänger. Oder nehmen wir den Irrationalismus, mit dem auf die sachliche Bemerkung des Kanzlerkandidaten auf die Frage nach der Relation der Bezahlung der Kanzlerposition reagiert worden ist. Dabei hatte er nicht mit einer Silbe angedeutet, dass er das für sich fordern würde. Auf solche aktuellen Bezüge weist der Film nicht hin. Denn es ist doch dezidiert ein Verehrungsmovie. Es geht um die Person Arendt und nicht um den Zustand der deutschen Intelligenzia von damals oder von heute. Dazu sind die Figuren, die gegen Arendt agieren, nicht gründlich genug analysiert worden. Da hatte von Trotta sich mit präzisem, punktgenauem Typecasting begnügt. Davon weiter unten mehr.

Höhepunkt dieses so zielbewusst strukturierten Filmes, der mit Bedacht alle Spielzüge für die große Auseinandersetzung am Schluss vorbereitet und herbeiführt, das ist die apologetische Vorlesung von Hannah Arendt an der Uni, die ihr schon den Rücktritt nahe legen will, das ist Arendts brillante Verteidigungsrede. Arendt sagt genau, und wiederholt exakt, was sie formuliert habe, und was ihr die Gegner im Mund umdrehen. Sie sagt, was sie unter Denken und Moral versteht und warum sie Eichmann für einen gewissenlosen Menschen, der nicht dachte, hielt. Größtes Manko dieses Höhepunktes und Beleg dafür, dass es sich doch eher um ein Verehrungsmovie handelt, ist die immer wieder feierlich, gedankenschwer eingespielte Musik. Die konterkariert schier unerträglich das Votum für eine offene intellektuelle Auseinandersetzung.

„Nicht eine einzige Kritik, die darauf eingeht, was ich geschrieben habe“, meint Hannah Arendt angesichts der Stapel von bösen bis bedrohlichen Feedbacks auf den Prozessbericht im New Yorker.

Barbara Sukowa spielt Hannah Arendt, die im Schlussvortrag richtig zu arendtscher Größe aufblüht, obwohl sie, wenn man Originalfotos anschaut, doch ein ziemlich anderer Typus ist. Während bei einem späten Auftritt des alten Heidegger mit Mantel und Barett, da glaubt man kurz, diesen Denker in echt vor sich zu haben (ihn spielt Klaus Pohl). Der Gatte von Arendt ist mit Axel Milberg genau mit der Art von Schauspieler punktgenau besetzt, die überzeugend darzustellen vermögen, dass sie zu intellektueller Auseinandersetzung nicht in der Lage sind, genau so ihr Freund Hans Jonas mit Ulrich Noethen. Wie weit das bewusste Besetzungsvorgänge waren, wie weit nur intuitiv, das sei dahin gestellt. Die intellektuelle Provinzialität dieser Figuren kommt jedenfalls glaubwürdig rüber.

Aber hier schauspielerische Einzelleistungen würdigen zu wollen, würde sicher der Absicht dieses Filmes, dem Denken mittels Präsentation von Hannah Arendt und den Reaktionen auf ihre Berichterstattung über den Eichmann-Prozess einen Platz im Kino einzuräumen zuwider laufen.

Das Denken soll den Menschen Hoffnung geben, solche Katastrophen zu vermeiden. Der in der Rede ausgefaltete Begriff des Denkens impliziert, dass es ein Denken ohne Gewissen nicht geben kann. Nur das Gute ist tief und radikal. Ob dieser Film das ist, sei dahin gestellt.

Ein Film, der sicher geeignet ist für den Schulunterricht.

Fazit: Frau von Trotta fährt auf einer Verehrungsschiene, die zwar wohlkonstruiert zu einer furiosen Rede als Finale führt, aber keine Folie für das Problem der Unfähigkeit zu intellektueller Auseinandersetzung in Deutschland abgibt. Frauenverehrungsmovie statt Intellektuellen-Auseinandersetzungsmovie.

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