Jaques Audiard hat sich von der Kurzgeschichte „Rust and Bone“ von Craig Davidson inspirieren lassen und mit Thomas Bidegain das Buch zu diesem, seinem Film geschrieben. Ein Melodram mit einem Mann ziemlich unten und einer beinamputierten Frau im Mittelpunkt.
Au, das schmerzt, man sieht sie oft, diese Beinstummel von Stéphanie, Marion Cotillard, oder dann mit neckisch-sportlichen, künstlichen, überaus elastischen Gelenken. Fast artistisch. Au das schmerzt. Das wird so wichtig, so nah immer gezeigt.
Der Filmtitel im Original kommt ganz ohne den Begriff „Geschmack“ aus, wie er in der deutschen Übersetzung hinzugefügt worden ist, sondern spricht nur „von Rost und Knochen“. Nun, es sind auch Knochenersatzteile gemeint. Und auch die Knochen von unserem anderen Protagonisten, Ali, Matthias Schoenaerts, mit denen der Film aufhört, sind gemeint; Ali hat so heftig gegen eine Eisdecke geschlagen, in der Nähe von Straßburg war das, weil nämlich sein Sohn darunter am Ertrinken war, dass er sich sämtliche Fingerknochen gebrochen hat. Au, das schmerzt.
Um den Reiz des Melodrams zu erhöhen, kommt gegen Ende ein wissenschaftlicher Text über die menschlichen Knochen, dass normalerweise nach einem Bruch diese sogar noch stärker wieder zusammenwachsen. Aber die Handknochen nicht. Da können kleine Berührungen zu Schmerzen wie Nadelstichen werden. Wie das weh tut. Alis Hände sind jetzt dick bandagiert. Und er hat doch zuletzt als Boxer sein Geld verdient. Bei illegalen Kämpfen. Seine Freundin Stephanie ersetzte den Manager und Gelddealer. Immerhin hat sein Sohn überlebt nach einigen Stunden im Koma, nach einer kurzen Totzeit. Vielleicht nicht gerade ein Happy End. Aber es hätte schlimmer kommen können.
Das mag der Nachteil und gleichzeitig auch der Vorteil des modernen Kinos sein, was unaufwändig mit kleinen Kameras sehr nah und ohne viel Licht-Drum-und-Dran arbeiten kann, dass es die Figuren hautnah auf die Leinwand bringt, fast schon eine unanständige Privatheit und Nähe ermöglicht, dadurch aber das Melodram sozusagen in die Potenz erhebt, überhöht. Die Gefahr dabei ist allerdings wieder, dass sich so ein Kino zu sehr in der Nähe, im Gefühl suhlt und verliert und dabei schnell den großen Kinoatem, schlimmer aber noch, die Handlungsstränge, die Motivationen, die Grundkonflikte der Figuren aus den Augen verliert.
So werden von diesem Film als bleibender Eindruck vermutlich die amputierten Beine von Marion Cotillard bleiben und man fragt sich vor allem, wie die das filmisch hingekriegt haben. Wenn Ali sie von der Liege am Strand ins Wasser trägt, das scheinen definitiv Stummel und nichts, was die ganzen Beine verbergen könnte, wie es im Rollstuhl immer möglich ist. Solche Rollstühle sind unter der Sitzfläche für gewöhnlich etwas dicker als nur ein Sitzleder stark.
Natürlich gibt es eine Geschichte. Wobei mir hier auch das Problem scheint, dass sie zwei Protagonisten hat, was für eine Filmerzählung von mir aus gesehen immer schwierig ist. Ali ist arbeitslos, wohnsitzlos unterwegs, rausgeschmissen mit seinem 5 jährigen Sohn Sam (Armand Verdure ist eine traumhafte Besetzung, der spiegelt all die Vaterlosigkeit, Mutterlosigkeit, Verlassenheit, Weltverlorenheit eines solchen Jungen grandios) unterwegs in den Süden Frankreichs. Er will bei seiner Schwester unterkommen, die in einem Supermarkt arbeitet. Er bekommt auch schnell einen Job als Einlasser bei einer Disco.
Und natürlich verführen die moderne Kinotechnik einerseits und die Vorgabe unseres Filmemachers andererseits, der jetzt ein Melodram entstehen lassen möchte nach seinem hochspannenden „Un Prophète“, dazu, auch die Disco überaus ausgiebig zu zeigen. Es kommt zu einer Schlägerei. Ali hilft einer jungen Dame. Es ist Stephanie, sie ist hier schon verletzt worden. Er begleitet sie nach Hause. Und bittet um Eiswürfel für seine Hand. Hier schimmert also schon das Thema Verletztheit und Knochen durch, klingt an. Der Freund von Stephanie ist nicht begeistert. Trotzdem lässt Ali ihr die Telefonnummer da. Ali bekommt schnell seinen nächsten Job bei einem Sicherheitsdienst. Die installieren in einem zu überwachenden Supermarkt Kameras, um das Personal auszuspionieren, bei allfälligen Diebstählen zu ertappen. Das wird später die Schwester von Ali den Job kosten.
Wer aber den Film unvoreingenommen und im Sinne der Macher sehen will, der darf allerdings diesen Bericht nicht lesen, denn er scheint offenbar doch vor allem zum einmaligen Gebrauch gemacht, er soll voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen sein.
Es stellt sich heraus, dass Stéphanie Killerwal-Dresseurin ist. Auch die Show in einer riesigen Arena vor riesigem Wasserbecken wird ausgiebig gezeigt. Wie Stéphanie die Wale vorführt und mit kleinen Gesten zu grandiosen Sprüngen anleitet. Wir wollen hier nicht von Tierquälerei reden. Dann passiert ein Unfall, ein Wal verfehlt das Wasser, das Gerüst mit den Dompteuren drauf bricht ein. Stéphanie wacht im Krankenhaus auf. Ohne Unterschenkel. Dieser Tiefpunkt ist so stark, dass sie hier Ali anruft. Die Beziehung der beiden bleibt aber weiter unverbindlich. Er bietet sich auf eine Bemerkung von ihr an, Sex mit ihr zu testen. Auch das bekommen wir gründlich zu sehen. Sie wollte ja nur wissen, ob das wenigstens noch geht. Ali hat aber auch andere Frauen. Inzwischen ist er bei illealgen Boxkämpfen eingestiegen. Eine sehr schöne Szene, ein kurzes Bild nur, ist jene, wo ein bei einem solchen Kampf herausgeschlagener Zahn auf dem Pflasterboden einen einsamen Tanz aufführt.
Um solche Impressionen ist Jacques Audiard nicht verlegen. Schon am Anfang geht es mit Ertrinkungsbildern los, ähnliche Unterwasserbilder mit viel Aufgeschlämmtem werden auch zur Illustration des Walunglücks benutzt.
Den Job als Türsteher hat er in der Disco Annexe.
Ali heißt Ali Van Versch.
Einmal findet Sam, Papas Hände seien kalt.
Stephanie verlangt von ihm Feingefühl und Manieren.
Wir machen weiter, aber nicht wie Tiere.
Stéphanie hat in ihrer Wohnung ein Plakat hängen, das für ein Unterwasserfilmfest wirbt.
Doch diese Stimmungseffekte, in denen sich Audiard gerne ergeht, sind auf Kosten der Rasanz der Story.
Die künstlichen Springbeinunterschenkel, die haben schon was.
Je suis OP, (operationsbereit, also sexbereit).
Die Darsteller kommen mir allerdings sehr für sich spielend vor.
Alphörner in Straßburg.
Am Schluss kommt ein Song auf englisch, some day in the morning I call you, where is your..
„…der Rezensent kommt mir allerdings sehr für sich schreibend vor.“
Manche Leute kapieren eben gar nichts, drehen sich im Kreis und um sich selbst und wiederholen sich immer und immer wieder, ganz egal ob sie über einen Film wie diesen schreiben oder den X-Men 6 Ableger Wolverine 2. Es steht nicht ein Wort in dieser Rezension die beschreibt was diesen Film ausmacht, denn dazu wäre mehr nötig als selbstverliebt an der Oberfläche zu kratzen.
Lieber Gerde, wenn Sie nur ätzen wollen, dann unterlassen Sie es bitte, dies hier zu tun. Sollten Sie allerdings Argumente in petto habe, so interessieren die mich sehr. Vier Augen sehen tendenziell mehr als nur zwei. Und im übrigen gilt: Film ist zuallererst mal Oberfläche (da kann auch 3D nicht darüber hinwegtäuschen).