The Sessions – Wenn Worte berühren

In den USA gibt es durchaus eine Tradition merkwürdiger Aufklärungsfilme, die vielleicht ab und an noch in einem verwegenen Kellerkino oder an einem Festival in einer kleinen Seitenreihe gezeigt werden: in den 50er Jahren gab es solche Filme zum Beispiel als Aufklärungsfilme für junge Mädchen oder während der Zeit des Vietnamkrieges gab es Schulungsfilme für Militärärzte anhand von echten Kriegsopfern, die oft grausam zugerichtet waren.

Dieser Reihe fügt jetzt Ben Lewin als Autor und Regisseur ein weiteres Glied hinzu. Ein Aufklärungsfilm, ein Lehrfilm über die Behandlung des Wunsches nach Sex durch einen Mann, 38 Jahre alt, Mark O’Brian gespielt von John Hawks, der den größten Teil seines Lebens in einer eisernen Lunge verbringen muss; denn in seiner Kindheit hatte er Polio bekommen und ist seither bewegungsunfähig.

Maximal drei bis vier Stunden kann er aus der Lunge heraus und kommt mit einer kleinen, transportablen Sauerstoffversorgung aus. Er ist hochgebildet, schreibt Gedichte und braucht ständig Pflegekräfte. Sprechen kann er. Und mit einer Art Stab im Mund auch eine Computertastatur bedienen.

Ben Lewin erzählt in drei parallelen Strängen von den Sexstunden, die O’Brian sich endlich mit 38 leisten wollte. Er hat Cheryl engagiert, Helen Hunt, eine verheiratete Frau, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hat und weil sie um die Gefahr der Entflammung von Liebe weiß, ihr Angebot auf maximal sechs Sitzungen beschränkt.

O’Brian war noch Jungfrau und voller Hemmungen vor Frauen und mit dem Gefühle ausgestattet, dass das nichts für ihn sei und nie und nimmer funktionieren könne.

Wir werden jetzt Zeuge der Sitzungen, die im Haus einer ebenfalls behinderten Bekannten von O’Brain stattfinden. Parallel dazu gibt es regelmäßig Gespräche zwischen O’Brian und einem Priester. Und Cheryl brütet nach den Sitzungen zuhause über dem Protokoll, der wissenschaftlichen Nachbearbeitung, die sie auf Tonband aufnimmt.

Cheryl hat tatsächlich Erfolg, sie schafft es in den wenigen Sex-Stunden bis zum gemeinsamen Orgasmus. Aber natürlich ist es schwer, in diesem Moment loszulassen. Und auch zuhause bei Cheryl gibt’s Probleme mit ihrem Mann, der einen parfümierten Liebesbrief von O’Brian öffnet.

Das wird alles gut nachvollziehbar und seriös präsentiert. Was mich mehr wundert, dass der Film in Amerika so hochgejubelt werde. Vielleicht ist es für die Menschen dort nicht selbstverständlich, dass auch Behinderte einen Anspruch auf Sex anmelden. Oder ob es Voyeurtum ist? Kulturell abgesichertes Voyeurtum?

Die deutsche Übersetzung des Titels stimmt meines Erachtens nicht mit dem Inhalt des Filmes überein; denn hier wird doch mit viel mehr als nur mit Worten berührt.

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