Jesus liebt mich

Die Bibel ist ein großer Steinbruch, eine unendliche Wundertüte oder wie eine Erzählung in ihr, die Speisung der Fünftausend, eine Speisung für Äonen von Autoren, Malern, Musikern und – Filmemachern und nährt sie und nährt sie.

Florian David Fitz nun hat sich nicht direkt aus der Bibel bedient, er hat in einem Sekundärsteinbruch sich bedient, nämlich in einem Roman des Erfolgsautors David Safier.

Florian David Fitz ist jener Filmmensch, Schauspieler, Autor, Regisseur, der mit „Vincent will meer“ einen bemerkenswerten Überraschungserfolg gelandet hat. In diesem Film hat er offenbar intuitiv einiges richtig gemacht: den Hauptfiguren Konflikte auf den (jeweils kranken) Leib geschrieben und sie auf den Weg eines, hm, aussichtslosen – und darum vielleicht deshalb gern gesehenen Roadmovies geschickt. Im Fahrwasser von so einem Erfolg muss jetzt schnell nachgeliefert werden. Die diversen Filmförderer, die mit seinem Erstling eine gute Nase bewiesen haben, drängen ihn, werfen ihm das Geld jetzt förmlich hinterher. Jetzt ist er ein „Name“, jetzt glauben die Funktionäre mit dieser Namensmünze kalkulieren zu können. Man schaut bekanntlich aufs Etikett und nicht darauf, was drin ist. Die Gefahr bei zu schnell zubereiteten Gerichten ist die, dass sie nicht gar sind.

Florian David Fitz, auf jeden Fall ein smarter und interessanter Darsteller, fühlt sich durch den Erfolg beflügelt und durch die Folgen noch mehr. Jetzt will er selbst die Menschheit und wahrscheinlich auch die deutsche Filmwelt, die ganz übel darnieder liegt, als Jesus retten. Denn den spielt er selbst. Jesus begibt sich in diesem Film wie aus den traditionell-konservativen, althergebrachten Bildern auf die Welt und will schauen, was die Menschen so machen, ob sie reif für die anstehende Apokalypse sind.

Pech hat er allerdings, weil die Apokalypse, auch eine biblische Erfindung, kurz bevor steht, nur wenige Tage sind noch bis dahin. Auch wenn diese Story lediglich die eines Betreibers diverser mechanischer Kabinette in Kasperlhausform ist, der die Apokalypse bereits für einen der folgenden Tage terminiert hat.

Das wäre keine schlechte Ausgangslange für eine spannende, aufregende, moderne oder hintersinnige Interpretation von Bibel, Christentum, Jesus und auch der heutigen Menschheit und ihrer Filmbilderwelt dazu.

Es geschah aber in diesem Film, dass das erste Kapitel nach dem Spielhallenvorspiel, grausam schlecht und billig klamottig geschrieben, inszeniert und gespielt wurde, dass dieses Kapitel in grobschlächtiger, plumper Hochzeitshektik dargeboten wurde. Eine Hochzeit, die kurz vor dem Ja-Wort scheitert. Das hatten wir doch vor kurzem schon mal.

Die Ärmste, die diese Braut so grottenschlecht spielen muss, denn das ist regiegewollt, hier also praktisch gottessohngewollt, ist Jessica Schwarz als Marie, die wir schon mehrfach beeindruckend gut gesehen haben. Ihre Mutter ist Hannelore Elsner als Sylvia, die nach wie vor mit einer Hingabe spielt, als müsse sie die dritte Runde der Aufnahmeprüfung für die Schauspielschule schaffen. Das zwingt immerhin zu Aufmerksamkeit. Die Mutter lebt getrennt vom Vater. Der hat sich eine polnische Geliebte genommen, die sowohl von seiner Tochter als auch von seiner Ex im ersten Moment für die neue Putzfrau gehalten wird; gedoppelter billiger, die Bibel in keiner Weise erhellender Witz.

Aus dem sekundären Bibelsteinbruch haut Florian David Fitz sich nun in garstigem Kuddelmuddel Steine und Steinchen heraus, manchmal als Witz gedacht, manchmal nicht als solcher erkennbar: das Gehen über das Wasser, des Bettlers Fusswaschung, Wasser-zu-Wein-Trick, die Heilung des Lahmen, die sich bildende Verehrergemeinde.

Es gibt Momente, die versuchen einen kurzen, aber nicht allzu dezidierten politischen Hinweis: auf Bildschirmen kommt der Syrien-Aufstand vor und auch Nachrichten von Obamas Drohnen-Terror-Anschlägen in fremden Ländern sind zu sehen.

Marie fragt Jesus, woher er komme. Aus Palästina, meint er. Terrorist, meint sie. Auch die Tomaten auf der Pizza kennt er nicht. Der Terroristenjoke kommt zweimal. Doppelt gemoppelt macht in diesem Falle geistig auch nicht wertvoller.

Ständig hat man den Eindruck, dass da wer noch „eine Idee“ gehabt habe, sei es zu Witzchen in Szenen, zu kunstgeschichtlich irgendwo zusammengeklaubten Lichtstimmungen, gerne auch computeranimiert. Was auch erzählt, dass hier viel zu viel Geld für ein viel zu wenig durchdachtes Drehbuch, was ein geistiger Verhau und vollkommen unausgereift ist, dem Filmemacher nachgeworfen wurde.

Der Film wird in einer dicken, schwülstigen Musiksauce ertränkt, als wolle der Komponist indizieren, es handle sich um ein ultimatives Meisterwerk; und belegt doch nur, dass der Komponist den Film vollkommen überschätzt.

Mit diesem Hinabsteigen in den erbärmlichen Kosmos des deutschen Kinos wird Filmmessias Florian David Fitz bei allem Talent den deutschen Film von seiner Amnesie nicht heilen.

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