End of Watch

Immer mehr schwappt der brutale mexikanische Drogenkrieg ins Kino über. Diesen Herbst gab es schon aus Mexiko „Miss Bala“ und aus den USA „Savages“ von Oliver Stone. In beiden Filmen ging es außerordentlich blutig zu und her, unglaublich brutal und grausam. Beide Filme waren auch Illustrationen zu dem, was wir hier als nüchterne Zahlen über diesen Drogenkrieg, der offenbar ganze Landstriche an der Grenze von Mexiko zu den USA beherrscht, erfahren.

David Ayer lässt uns hier ein Stück von diesem Drogenkrieg, der sich bereits in L.A. breit macht, sehen. Eher zufällig und aus lächerlichem Anlass geraten seine beiden Protagonisten, das sind die Streifenpolizisten Brian und der mexikostämmige Miguel, in einem der vernachlässigten Quartiere von L.A. ins Visier des Sinaloa-Kartells. Das wird zu Gefechtslagen wie im Krieg führen.

Brian stellt sich uns selbst vor, denn er ist gerade dabei, seinen Dienst bei der Polizei mit Video zu dokumentieren. Er sieht sich selbst als die Konsequenz des Gesetzes. Er muss dem Gesetz Nachdruck verleihen. Was das Gesetz verlangt, das kann bis zum Erschießen gehen. Er muss nichts denken dabei. Er zeigt uns seinen Spind, seine Ausrüstung, seinen Kollegen Miguel, der nicht mal richtig schreiben kann. Die beiden werden zusammen Streife fahren. Er vermittelt das Gefühl, dass er in dieser Hierarchie, sowohl der des Polizeiapparates als auch der des Gesetzes, sich ganz gut aufgehoben fühlt.

Parallel zur Vorstellung der Polizisten nimmt uns Ayer mit auf einen kleinen Ausflug der Gang von Big Evil, die wieder aktiv geworden ist. Sie machen sich mit einer Schießerei aus dem Auto bemerkbar, der Initiationsübung für neue Mitglieder.

An Brian und Miguel zeigt Ayer uns auch das durchaus starke und wonnige Gefühl, was solche Polizisten in ihrem Auto, mit ihrer Polizeimarke am Hemd und den griffbereiten Waffen empfinden können, wenn sie durch die ausgedehnten Quartiere Streife fahren.

Erst gibt es einige Beispiele für Einsätze. Bei einem fordert ein bulliger Typ Miguel zum Kampf Mann gegen Mann. Dann ein Einsatz, bei dem eine Mutter ihre Kinder als vermisst angibt, die die Polizisten mit Klebeband gefesselt in einer kleinen Kammer finden. Ein Wohnungsbrand ist der nächste. Hier retten die beiden heldenhaft Kinder, wofür sie prompt auch geehrt werden. Und zum ersten Mal geraten sie in eine Koksparty und damit an Mr. Big Evil.

Zwischendrin bleibt auf solchen Streifenfahrten viel Zeit, Musik laut laufen zu lassen und sich zu unterhalten, auch über das Privatleben. Miguel scheint ein treuer Mann zu sein, er hat nur seine Frau als einzige je gehabt; er hat sie entjungfert, er erwartet ein Kind von ihr. Ausgang zu dem Gespräch ist eine sms-Liebesbotschaft von Brian, der immer kurzfristig anbandelt, einige Nächte mit einer Tussi verbringt und sie dann fallen lässt. Zwei recht verschiedene Lebensentwürfe. Aber die beiden kommen sich durch den gemeinsamen Dienst, die sie verbindenden oft gefährlichen und riskanten Situationen und die langen Gespräche so nah, dass Miguel Brain seinen Bruder nennt und auch fragt, ob er, wenn er sterben würde, dann für seine Frau und seine Kinder sorgen würde. Man erlebt die beiden auch mal bei einer Hochzeit oder bei einer Geburtstagsfeier. Brian lernt im Laufe des Filmes Janet kennen und nicht zuletzt durch die Gespräche mit Miguel scheint er es dieses Mal ernster zu meinen. Eine schöne Szene, wie Janet, während Brian schläft, sich hinter seine Geldbörse macht, die Dinge auspackt und der Dokumentarkamera von Brian zeigt.

L.A. wird immer wieder ungewöhnlich fotografiert dazwischen geschnitten als schwarze Silhouette oder als Flugaufnahme über einem recht geometrischen Lichtermeer, als Skyline von wenig rhythmischen Wolkenkratzern.

Durch die Vorgabe der Selbstdokumentation von Brian ist der ganze Filme allerdings in der inzwischen auch nicht mehr neuen Wackel-Ästhetik aufgenommen, was ab und an nervt, vor allem wenn man mal einen Untertitel lesen will. Andererseits ist durch das ausgeklügelte Buch von David Ayer ein wunderbares Gleichgewicht gegeben zwischen Gossensprache, wo jedes zweite Wort oder halbe Sätze nur aus „Fuck“ und „Shit“ bestehen und ernsthaften Gesprächen, wo die Figuren sich mit sich selber, mit ihren Lebensentwürfen und Lebensweisheiten beschäftigen. Kunstvoll auch die wohl austarierte Grundstruktur, erst die Figuren vorzustellen, dann einige Routineeinsätze begleitend bis zum Schlund der tödlichen Gefahr im Krieg mit der Gang zu zeigen; dabei noch die Annäherung der beiden doch sehr konträren Charaktere – und diese immer von der Regie hervorragend und glaubwürdig geführt – um dann auf den Höhepunkt zuzusteuern – und hinterher noch einen Nachschlag zu servieren, der einem die beiden Figuren in ihrer Vertrautheit nochmal verstärkt lebendig werden lässt.

Ein ausgeklügeltes Kinostück vom Feinsten, das einen von der ersten Minute an bannt, eines Kinostückes allerdings, das sich einer rauen Realität widmet, von der wir hier im gediegenen Mitteleuropa bestimmt nichts wissen wollen, die uns auch sehr fremd bis befremdlich vorkommt. Ist es doch außerdem die enge Welt dieser Cops, die nur in ihrem Berufs- und Werteschema leben und außer dem bisschen Freizeit, was Liebes- und Ehezeit ist, wenig Ausweg oder gar Ausblick haben.

Schöner Gesprächsmoment auch, wo Miguel wissen will, wann Ernst und wann Joke sei bei Brian.

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